Bundeskanzler Gerhard Schröder auf dem Frühjahrsempfang des AWO Bezirks Westliches Westfalen

21.04.2005


Die Bundesregierung wird ihren Reformkurs weiter verfolgen, allerdings wird der Ausgleich zwischen wirtschaftlichen und sozialen Interessen immer mehr an Bedeutung gewinnen. Dabei werden die Wohlfahrtsverbände eine wichtige Rolle spielen. Das sagte Bundeskanzler Gerhard Schröder am 20. April während einer Rede vor fast 2000 Mitgliedern, Mitarbeitern und Freunden der Arbeiterwohlfahrt in der Bochumer Jahrhunderthalle.


Der AWO Bezirk Westliches Westfalen hatte ihn und den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten und SPD-Spitzenkandidaten für die Landtagswahl, Peer Steinbrück, zu ihrem Frühjahrsempfang eingeladen. Steinbrück ist gerne und häufig zu Gast bei der Arbeiterwohlfahrt in seinem Bundesland, doch auch er musste in der Bochumer Jahrhunderthalle gestehen, dass er so viele Mitglieder und Mitarbeiter der AWO noch nicht an einem Ort zusammen gesehen habe. Dass sich auch der Bundeskanzler bei der AWO wohlfühlt, verrät der Umstand, dass er Ende April für 25 Jahre Mitgliedschaft in der Arbeiterwohlfahrt ausgezeichnet wurde. Als Schröder in der Jahrhunderthalle von der Ehrung berichtete, brandete spontaner Applaus auf.

„Zukunft sozial gestalten“ hieß das Motto der Veranstaltung und beide Spitzenpolitiker entwarfen ein Szenario der gegenwärtigen und zukünftigen Herausforderungen und politischen Lösungen.

Auch die Sozialpolitik muss, so Gerhard Schröder, auf Globalisierung und älter werdende Gesellschaft reagieren. „Wenn wir nicht handeln, würden die sozialen Sicherungssysteme kaputtgehen“, sagte er. Es gehe auch kein Weg daran vorbei, dass die eingeleiteten Maßnahmen fortgesetzt werden müssten. Ziel sei es, eine neue Balance zwischen effektiver Wirtschaft und sozialer Verantwortung zu finden.

Ohne mehr Freiheit und Eigenverantwortung geht es nicht, dass betonte der Bundeskanzler in Bochum, allerdings grenzte er ein: „Freiheit braucht Regeln.“ Das alte, neue Prinzip der sozialen Marktwirtschaft gilt weiterhin. Soziale und demokratische Standards sollen auch in einer erweiterten EU nicht aufgegeben werden.

Die Wohlfahrtsverbände haben nach Ansicht von Schröder beim Ausgleich zwischen ökonomischen und sozialen Interessen stets eine wichtige Rolle gespielt. Sie seien ein „starkes Stück Deutschland“, das auf jeden Fall erhalten bleiben werde. Auf dieses Thema ging auch Peer Steinbrück ein. Wohlfahrtsverbände, so der Ministerpräsident, tragen zu Stabilität einer Gesellschaft entscheidend bei. Dabei betonte er die Rolle der ehrenamtlichen Arbeit. Ehrenamtliche seien die eigentlichen „Helden des Alltags“, sie seien der „Kitt der Gesellschaft“.

Ein handlungsfähiger, starker Staat muss garantieren, dass in dem gegenwärtigen Strukturwandel bestimmte Prinzipien – zu denen die soziale Arbeit in den Wohlfahrtsverbänden gehört – ihre Bedeutung behalten, sagte Steinbrück. „Wir in Nordrhein-Westfalen haben einen jahrzehntelangen Strukturwandel bereits hinter uns“, führte der Ministerpräsident aus, „wir können das.“ Eine „entfesselte Ökonomisierung“ der Gesellschaft werde es nicht geben, betonte Steinbrück. In NRW schlage das „soziale Herz Deutschlands“ und das werde so bleiben.

Bodo Champignon, der Vorsitzende des AWO Bezirks Westliches Westfalen, wird besonders erfreut zugehört haben, als Gerhard Schröder und Peer Steinbrück über die EU-Dienstleistungsrichtlinie sprachen. Sie soll es in der derzeitig vorgeschlagenen Form nicht geben, sagten beide Redner. Das, so ging Steinbrück noch einen Schritt weiter, gelte besonders für die soziale Arbeit. Genau das hatte Champignon in seinem Redebeitrag gefordert.