Trauer zum Anpfiff

21.11.2022

Impressionen der Veranstaltung

AWO, Aktionskünstler und 300 Ehrenamtliche verwandeln Stadion in Herne in eine Gedenkstätte

20.000 Grabkerzen leuchteten am Sonntag auf den Rängen im Stadion am Schloss Strünkede. 6500 sandgefüllte Fußbälle waren auf dem Spielfeld ausgelegt. Drumherum scharten sich hunderte Menschen, um ein Zeichen für die vielen tausend Gastarbeiter zu setzen, die auf den Baustellen der Fußball-WM in Katar ums Leben gekommen sind. Pünktlich zum Anpfiff des ersten Spiels in Doha begann in Herne eine Trauerfeier für die Toten.

Dass er am Tag der WM-Eröffnung in Herne stehen würde, hätte Sportreporter Manfred Breuckmann vor ein paar Jahren wohl kaum geglaubt. Doch so kam es, dass er, statt das Eröffnungsspiel zu verfolgen, die Gedenkveranstaltung in Herne moderierte. Neben ihm setzten an diesem Tag viele Menschen ein Zeichen gegen die Menschenrechtsverletzungen in Katar. AWO-Vorstand Michael Scheffler fand deutliche Worte über die Geschehnisse rund um die Fußball-WM: „Die FIFA hat den Fußball verraten und verkauft. Menschenleben dürfen nicht für Gewinn geopfert werden. Der Zweck heiligt nicht alle Mittel und schon gar keine Allianzen mit Diktaturen.“
Der Osnabrücker Aktionskünstler und Initiator, Volker-Johannes Trieb, machte auf das Leid der Gastarbeiter und ihrer Familien aufmerksam: „Die Spiele, die heute beginnen, sind mit Leid und Tod erkauft. Es ist die blutigste WM, die es je gab.“ Die Stoff-Fußbälle, die elementarer Bestandteil der Aktion sind, sind mit dem Satz „Weltgewissen du bist ein Fleck der Schande“ bedruckt. Das Zitat stammt von Truus Menger-Oversteegen, einer niederländischen Widerstandskämpferin gegen die NS-Okkupation.
Weitere Redner*innen wie Anja Butschkau und der Herner Bürgermeister Kai Gera positionierten sich deutlich gegen die FIFA und die Menschenrechtsverletzungen in Katar.
Dann wurde es still. Eine Schweigeminute inmitten des Lichtermeeres ließ die vielen Menschen innehalten. Währenddessen wurde eine Kerze am Anstoßpunkt entzündet. Es folgte ein Requiem des Cellisten Willem Schulz. Zum Abschluss schlug die Band „Westwärts“ härtere Töne an und sang das, was im Stadion alle dachten: „We say NO to Qatar“.

Über 300 Ehrenamtliche ermöglichen Gedenken

Freiwillige aus ganz Deutschland waren an diesem Tag angereist, um mit anzupacken.  Fußballfans verschiedener Vereine halfen Hand in Hand, um dieses einzigartige Mahnmal zu schaffen. Schwester Eva-Maria war zusammen mit ihren Schülerinnen und Schülern der Berufsbildenden Schule im Marienheim (Osnabrück) gekommen. Die Schulleiterin war besonders von deren Engagement begeistert: „Dass unsere Schüler an einem Sonntag mithelfen, zeugt von ihrer persönlichen Überzeugung. Es ist uns aber nicht nur ein Anliegen zu protestieren, sondern auch an der Gedenkfeier teilzunehmen. Damit wir nicht vergessen, was es alles an Opfern gegeben hat und auch noch gibt.“
Auch AWO-Präsidentin Kathrin Sonnenholzner und AWO-Präsident Michael Groß nahmen teil.  „Ich finde es wichtig, dass wir hier ganz deutlich Stellung gegen die Vergabe der WM beziehen. Dass tausende Tote zu beklagen sind, um die sich niemand kümmert, ist ein Skandal“, positionierte sich die Präsidentin. Michael Groß ergänzte: „Fußball ist ein Mannschaftsspiel. Im Team kommt es auf jeden an, aber leider ist das bei dieser WM an diesem Veranstaltungsort nicht so, dass man dort auf Menschen achtet oder human mit ihnen umgeht. Und deshalb bin ich hier, um gegen den Veranstaltungsort Katar zu demonstrieren“.

AWO und Künstler protestierten bereits in Zürich

Am 1. April hat der Bezirksverband bereits zusammen mit AWO International und Volker Johannes-Trieb vor der FIFA-Zentrale in Zürich gegen die Vergabe der WM an Katar protestiert. „Die Menschen, die auf den Baustellen gestorben sind, stammen aus den ärmsten Ländern der Welt. Sie haben dort geschuftet, um ihre Familien zu ernähren. Wir sind heute in Gedanken bei ihren Angehörigen“, sagte Ingrid Lebherz, Geschäftsführerin von AWO International. Der Verband engagiert sich in den Ländern der Hinterbliebenen für die Rechte von Arbeitsmigranten, die in Ländern wie Katar ausgebeutet werden. „Weltweit leben rund 50 Millionen Menschen in Sklaverei – das ist eine ungeheure und beschämende Zahl. Die FIFA hat das aber durch ihre jahrelange Ignoranz versäumt“.