AWO, was nun?

17.11.2017

Protest ist eigentlich eine gute Sache. Eigentlich. Denn Protest, also das sich auflehnen gegen etwas, mit dem man nicht einverstanden ist, trägt den Kern der Veränderung in sich. Protest ist sozusagen der Motor, der einen Wechsel in Schwung bringt. Die Bundestagswahl 2017 ist eine Protestwahl gewesen: Die Koalitions-Parteien wurden abgestraft. Die AfD ist aus dem Stand drittstärkste Partei geworden.  Sie hat dort die größten Zuwächse verzeichnet, wo die Ausländerquote am niedrigsten ist. Man wählt sozusagen präventiv rechts. Die allermeisten haben aus Protest ihr Kreuzchen bei der AfD gemacht. Gegen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung, gegen die Willkommenskultur und überhaupt gegen alles, was „fremd“ erscheint. Protest First, Lösung Second.

Dieser Protest wirft keinen Motor an, der etwas Konstruktives für Deutschland und die Gesellschaft in Gang bringen kann, denn er besteht nur aus mulmigen Gefühlen, aus Angst gegen etwas. Er richtet sich nicht gegen Konkretes wie soziale Ungerechtigkeit, Kinderarmut, den drohenden Kollaps unseres Rentensystems oder die Folgen des Klimawandels. Die großen Probleme und Herausforderungen unserer Zeit sind bei der Bundestagswahl 2017 auf der Strecke geblieben. Sie können und werden uns aber ins Stolpern bringen – wenn wir nichts dagegen tun.

Höchste Zeit zu handeln

Die Hauptaufgabe der neuen Bundesregierung muss nun darin liegen, den Blick auf die drängendsten Probleme zu richten: Gemeinsam gilt es, Armut zu bekämpfen, sich für Gerechtigkeit einzusetzen und die weitere soziale Spaltung der Gesellschaft zu verhindern. Gräben müssen geschlossen werden. Nur so wird es gelingen, dass Hass und Hetze nicht mehr auf fruchtbaren Boden stoßen. Die AWO bekennt sich nach wie vor zum demokratischen Diskurs mit den Vertretern anderer politischer Überzeugungen. Unsere Grenze ziehen wir jedoch dort, wo Menschenrechte infrage gestellt werden. Wir wehren uns gegen jede Form von Fremdenfeindlichkeit, Diskriminierung und Vorurteile – mit aller Kraft.

Auf der AWO-Fachtagung zum „7. Altenbericht der Bundesregierung“ warnte ein Experte im September 2017, dass der demografische Wandel längst begonnen habe und es nun höchste Zeit sei, Konzepte zu entwickeln und umzusetzen. Es wird Zeit zu handeln. AWO-Präsident Wilhelm Schmidt beklagte, dass Politik immer nur kurzfristige Ziele verfolge – jetzt müssen aber Weichen für die Zukunft gestellt werden.

Die AWO stellt sich dieser Aufgabe. „Die 100 geknackt – und jetzt?“ – unter dieser Leitfrage steht die Entwicklung eines neuen Grundsatzprogrammes, das im Jubiläumsjahr 2019 vorgestellt wird. Bis dahin wird auf vier Regionaltreffen darüber debattiert, was uns ausmacht und wie wir als Wohlfahrtsverband in die Zukunft gehen möchten. Am 14. April 2018 sind die AWO-Vertreter der Region West in Dortmund zu Gast. In der Westfalenhalle werden gesellschaftliche Visionen und verbandspolitische Positionen entwickelt. Ziel ist eine klare Abgrenzung vom rechtskonservativen Gedankengut – dieses klare „Nein“ war, ist und bleibt das Alleinstellungsmerkmal der AWO seit mittlerweile 100 Jahren. Es wird der AWO auch in Zukunft ein klares Profil geben.

Sozialstaat stärken, statt privatisieren

Wir wollen was bewegen. Und vieles wollen wir nicht hinnehmen. Etwa die weitere Privatisierung der Daseinsvorsorge. Die grundlegenden Aufgaben des Sozialstaats sind für uns nicht verhandelbar und das schon gar nicht auf dem freien Markt. Pflege, Gesundheitsversorgung und Bildung sind wichtige Säulen unserer Gesellschaft. Sie sollen alle Menschen stützen und nicht nur diejenigen, die es sich leisten können. Wer diese wichtigen Bereiche weiterhin dem Wettbewerb aussetzt, trägt dazu bei, die Gesellschaft weiter zu spalten. Die Ökonomisierung  darf nicht auf Lebensbereiche ausgeweitet werden, in denen Menschlichkeit und Gerechtigkeit vorrangig sind. Kosten-Nutzen-Rechnungen und Gewinnmaximierung dürfen nicht die Messlatten sein, wenn es darum geht, wie wir in Würde alt werden, welche Möglichkeiten wir für Menschen mit Behinderung schaffen und welche Bildungschancen wir unseren Kindern bieten.

Mit Blick auf eine mögliche „Jamaika-Koalition“ aus Union, Grünen und der FDP warnen wir davor, diese Bereiche weiter zu privatisieren. Privat vor Staat darf hier nicht die Devise sein! Im Sinne der Gerechtigkeit fordern wir, den Sozialstaat zu stärken.

Allianz des Anpackens

Die AWO wirft den Motor der Veränderung an, wenn es darum geht, gegen Ungerechtigkeit zu protestieren. Im westlichen Westfalen etwa bangen tausende Stahlarbeiter von ThyssenKrupp um ihre Jobs. Eine Fusion mit dem indischen Tata-Konzern könnte dazu führen, dass vielen Menschen in unserer Region die Arbeitslosigkeit droht und dass Arbeitnehmerrechte dem Diktat der Aktionäre zum Opfer fallen. Dagegen werden wir kämpfen – gemeinsam mit der Belegschaft von ThyssenKrupp. Solidarität ist ein gesellschaftliches Gut, für das es sich zu protestieren lohnt.

Das alles sind Herausforderungen, die keiner alleine stemmen kann. Weder die Parteien, noch die Wohlfahrtsverbände oder die Gewerkschaften. Und die Kirchen? Die ziehen sich aus der Verantwortung in den Quartieren mehr und mehr zurück. Was wir aber jetzt brauchen und wollen, ist eine neue Allianz  des Anpackens, die sich ohne Wenn und Aber für soziale Gerechtigkeit einsetzt. Die AWO wird Teil dieser Allianz sein. Sie begrüßt jeden, der mitmacht. Bei der ehrenamtlichen sozialen Arbeit genauso wie bei der Entwicklung unseres neuen Grundsatzprogramms. Kreative Köpfe, Freigeister und alle, die über den Tellerrand hinausblicken wollen, sind herzlich willkommen.

Macht mit!

 

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