Augsburger Puppenkiste: Kistenkobolde helfen gegen Sucht und Gewalt

04.07.2012

Papilio-Aufklärungskampagne macht in Bochum Station. Zertifizierung von ErzieherInnen zum Abschluss ihrer Papilio-Fortbildung.

Ungewöhnliche Gäste spielten und lachten am 3. Juli im Kinder- und Jugendzentrum Falkenheim. Marionetten der Augsburger Puppenkiste begeisterten 350 Kindergartenkinder und viele Erwachsene. Doch der Spaß hatte einen sinnvollen Hintergrund. Die „Kistenkobolde" sind Figuren aus dem Präventionsprogramm Papilio, die den Kindern das Erkennen eigener Gefühle erleichtern.

Diese und andere emotional-soziale Kompetenzen zu entwickeln, hilft Kindern nachweislich dabei, später als Jugendliche statt mit Sucht-, und Gewaltverhalten, in schwierigen Situationen angemessen und konfliktlösend handeln zu können. Papilio wird, von der Barmer GEK gefördert, in NRW seit 2006 in Familienzentren & Kitas eingeführt. Am Dienstag wurden im Rahmen des Papilio-Tourtages acht weitere ErzieherInnen zertifiziert, die die Papilio-Fortbildung erfolgreich abgeschlossen haben. An einem trägerübergreifenden Modellprojekt für Familienzentren & Kitas, in Bereichen mit besonderem Erneuerungsbedarf - Projekt NRW-, beteiligen sich drei Bochumer Einrichtungen. Im Projekt NRW werden 144 pädagogische Fachkräfte aus 20 Einrichtungen von 3 Trainerinnen geschult.

„Unser Anliegen ist die frühzeitige Prävention", erklärte Norbert Dyhringer, Abteilungsleiter Soziales des AWO Bezirkes Westliches Westfalen. Immer mehr Kinder wachsen unter schwierigen Bedingungen auf: Finanzielle Probleme, mangelnde Zuwendung, Sprachprobleme, Gewalt und Sucht in der Familie. Nehmen die Risikofaktoren überhand, starten diese Kinder mit erschwerten Bedingungen ins Leben und scheitern oft schon in der Schule. „Wir wollen unsere Kleinen so fördern und unterstützen, dass sie resilient und sich ihrer Stärken bewusst, den Herausforderungen des Lebens stellen können", so Dyhringer.

Früh fördern bedeutet schützen
Das Präventionsprogramm Papilio setzt bereits im Kindergarten an, weil bekannt ist, dass die meisten Jugendlichen mit Problemen schon sehr früh Auffälligkeiten zeigten. Soweit soll es erst gar nicht kommen. Spielerisch erlernen Kinder mit Papilio soziale und emotionale Kompetenzen. Das Stück „Paula und die Kistenkobolde", das im Kinder- und Jugendzentrum Falkenheim mit Original-Marionetten der Augsburger Puppenkiste aufgeführt wurde, steht stellvertretend für die gleichnamige Maßnahme, die in den Einrichtungen regelmäßig durchgeführt wird und ist einer der Bausteine von Papilio.
Die Maßnahme fördert gezielt die emotionale Kompetenz: „Jeder der Kobolde: Heulibold, Zornibold, Bibberbold und Freudibold steht für eines unserer Basisgefühle. Alle Gefühle zu erkennen, angemessen zu leben, als natürlich und gleichwertig zu betrachten, ist wichtig für die kindliche Entwicklung", erklärte Trainerin Sabina Wesling. „Um ihre Gefühle erkennen zu lernen, brauchen Kinder uns Erwachsene als Vorbild und vor allem unsere einfühlsame Unterstützung. Nur so lernen unsere Kleinsten mit ihren eigenen Gefühlen und mit den Gefühlen anderer wertschätzend umzugehen." Die Trainerin bildet ErzieherInnen darin fort, Papilio in ihrer Einrichtung umzusetzen.
André Frohnenberg, Trainer aus Bochum, zertifizierte am Nachmittag acht ErzieherInnen aus dem Raum Bochum, die ihre Papilio-Fortbildung erfolgreich abgeschlossen und das Programm in ihren Gruppen eingeführt und in der Einrichtung implementiert haben.
In NRW wird Papilio bereits seit 2006 von mittlerweile 1.500 ErzieherInnen umgesetzt, gefördert durch den Kooperationspartner, die BARMER GEK.

Weiterer Baustein des Aktionstags in Bochum war ein Fachvortrag zur frühzeitigen Prävention von Verhaltensproblemen. Die Wirksamkeit der Papilio-Maßnahmen ist durch eine große Studie mit 700 Kindern wissenschaftlich belegt. Diese Studie zeigte auch, dass Kinder, die bereits auffällig waren, ganz besonders vom Programm profitierten: Sie reduzierten ihre Verhaltensprobleme deutlich und entwickelten vermehrt sozial-emotionale Kompetenzen.

Bochum an NRW-Modellprojekt beteiligt
Besonders viele auffällige Kinder werden in Kindergärten betreut, die in Stadtteilen mit besonderem Erneuerungsbedarf liegen, den sogenannten „Brennpunkt-Stadtteilen". Papilio führt deshalb zusammen mit der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege NRW (LAG) und gefördert von der Stiftung Wohlfahrtspflege NRW ein Modellprojekt für „Brennpunkt-Kindergärten" durch. Heinz Drenseck, Vorsitzender des AWO Unterbezirkes Ruhr-Mitte, erklärte: „Wir untersuchen, ob und wie Papilio unter diesen besonderen Herausforderungen die emotional-soziale Kompetenz der Kinder erlebbar und nachweislich fördert. Zwei unserer Kindertagesstätten und ein Familienzentrum in Bochum sind daran beteiligt - neben insgesamt 17 Familienzentren & Kindertagesstätten in weiteren fünf Städten in NRW."

Große Kooperation für die Kleinen
Das Modellprojekt läuft bis September 2013 und wird wissenschaftlich begleitet. Prof. Dr. Herbert Scheithauer von der Freien Universität Berlin leitet die Prozessevaluation. Die Stiftung Wohlfahrtspflege NRW ermöglicht das Modellprojekt mit 1,3 Mio. Euro. Für die praktische Umsetzung kooperiert der Papilio e.V. mit der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, deren Mitgliedsverbände die Träger der beteiligten Kindergärten sind.

Weitere Details unter www.papilio.de/papilio_projekt-nrw.php.

Augsburger Puppenkiste: Kistenkobolde helfen gegen Sucht und Gewalt

Auf dem Foto:
Hintere Reihe: Puppenspieler der Augsburger Puppenkiste
Vordere Reihe:
Sabine Radtke, Fachberaterin AWO Bezirksverband WW
Ursula Hawighorst, Referatsleiterin, Bezirksverband WW
Sabina Wesling, Papilio-Trainerin, Bezirksverband WW
Heinz Drenseck, Vorsitzender AWO Unterbezirk Ruhr-Mitte
Norbert Dyhringer, Abteilungsleiter Soziales, AWO Bezirksverband WW

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