Bezirkskonferenz in Gelsenkirchen: Die AWO Westliches Westfalen ist gemeinsam stark fürs Morgen

23.04.2024

Die Zeiten sind herausfordernd: Rechtsruck, Fachkräftemangel und Sparhaushalte auf Bundes- und Landesebene, die den Sozialbereich hart treffen – die AWO im Westlichen Westfalen hat auf ihrer Bezirkskonferenz am 20. April in Gelsenkirchen auf Krisen reagiert und die Segel entsprechend gesetzt. Insgesamt nahmen rund 190 Delegierte und Gäste teil. Fotos der Veranstaltung finden Sie hier.
Die Delegierten im Hans-Sachs-Haus bestätigten den Vorsitzenden Michael Scheffler (Kreisverband Märkischer Kreis) mit 93,7 Prozent im Amt. Zu seinen Stellvertretern wählten sie Christian Bugzel (Vorsitzender des Unterbezirks Münsterland-Recklinghausen) mit 94,4 Prozent und die Landtagsabgeordnete Anja Butschkau (Vorsitzende des Unterbezirks Dortmund) mit 95,2 Prozent wieder.
Darüber hinaus bezogen sie politisch Stellung und stimmten über zahlreiche Anträge ab, die das Profil des Bezirksverbandes schärfen. So forderten sie etwa den AWO Bundesverband auf, möglichst schnell eine einheitliche Positionierung zu einem AfD-Verbotsantrag zu entwickeln. Der Bezirk empfiehlt dem Bundesverband ein mögliches AfD Verbot zu fordern.

Kooperation ist ein Muss
In seiner Rede betonte der alte und neue Vorsitzende Michael Scheffler, dass es in Zeiten wie diesen „die Pflicht aller Demokratinnen und Demokraten sei, laut zu sein, zu protestieren und zusammenzuhalten“. Mit Sorge blicke er auf den Rechtsruck im Vorfeld des „Superwahljahres“ 2024. Politik lasse sich nicht im Alleingang gestalten, so Scheffler über die EU-Ausstiegs-Fantasien der rechten Parteien. „Kooperation ist Muss in unserer komplexen Welt. Ob Klimawandel, Migration oder internationale Regelungen für Künstliche Intelligenz – diese Welt funktioniert nur in der Gemeinsamkeit.“  
Michael Scheffler kritisierte, dass die Bundes- und Landesregierung den Sozialbereich zunehmend aus dem Blick verliere. Angeboten wie dem Offenen Ganztag drohe, sogar die Schließung, wenn sich an der Finanzierung nichts ändere, so der Vorsitzende.

Geschäftsführer Uwe Hildebrandt bestätigte das und nannte es das „Märchen vom aufgeblähten Sozialstaat“, das vor allem im rechten Lager gerne erzählt werde. „Da ist nichts dran“. Im Gegenteil: Deutschland habe seine Sozial-Ausgaben im Vergleich zu anderen Staaten in den vergangenen Jahren nur moderat um 26 Prozent erhöht, zitierte er aus einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung. Viele Menschen empfänden unser System als ungerecht. „Durch Arbeit und Leistung wird niemand mehr reich – wir sind ein Land der Erben geworden“, kritisierte er. An viele Themen traue sich niemand heran, etwa die Reform der Erbschaftssteuer oder der Finanztransaktionssteuer. Mit einem einheitlichen Steuersatz (Flat Tax) von 15 Prozent ließen sich die Staatskassen gut füllen, so Hildebrandt.
Er sprach sich zudem für die Aufhebung der Schuldenbremse aus. Es gebe keinen besseren Grund für eine Schuldenaufnahme als die Zukunft unserer Kinder. Klimawandel, soziale Marktwirtschaft, Infrastruktur und Bildung seien Bereiche, in die jetzt investiert werden müsse.
Die Refinanzierung von sozialen Angeboten werde unter dem vermeintlichen Sparzwang von Kostenträgern aber oftmals abgelehnt. „Dann müssen wir Einrichtungen abgeben. Wir müssen als AWO wieder lernen, Nein zu sagen. Das machen wir nicht gerne. Aber es wird sich nicht mehr vermeiden lassen“, so Hildebrandt. 25.000 Menschen haben im vergangenen Oktober in Düsseldorf demonstriert und ihrem Ärger über die Sparhaushalte im Land und Bund Luft gemacht. „Ich bin stolz, wie viele vor dem Landtag protestiert haben. Die Reaktion der Politik hat mich aber maßlos enttäuscht: Es kam nichts.“

Rüstungshaushalt in der Kritik
Mit der „Gelsenkirchener Erklärung“ forderte die Konferenz, den Sozialstaat zu sichern und ihn nicht zugunsten der steigenden Militärausgaben zu opfern. Man widersetze sich allen politischen Bestrebungen, „die das politische und gesellschaftliche Koordinatensystem zulasten von Zukunfts- und Sozialaufgaben in Richtung Rüstung verschieben wolle“, heißt es in dem Text, der auf der Bezirkskonferenz von den Delegierten verabschiedet wurde.
Deutlich wurde der Bezirksverband auch bei den Krisen im Bereich der Altenhilfe. Die Delegierten sprachen sich dafür aus, die Pflegeversicherung von einer Teil- in eine Vollversicherung umzuwandeln und Bundeszuschüsse zu fordern, die den Eigenanteil verlässlich deckeln.
Auch das Dauerproblem Leiharbeit wurde thematisiert. Schließlich geraten viele Träger in finanzielle Schieflage, weil sie aus Personalnot auf völlig überteuerte Leiharbeit angewiesen sind. Das Geschäftsmodell Leiharbeit nutzt den Personalmangel in der Pflege zu Lasten der Träger, Bewohner*innen und Pflegekräfte aus. Die Delegierten sprachen sich deshalb dafür aus, den Einsatz von Leiharbeit in der Pflege durch eine gesetzlich geregelte Höchstgrenze zu reglementieren. Um die Attraktivität von Tätigkeiten im Bereich Altenhilfe zu steigern, forderten sie, die Gehälter in der ambulanten und stationären Pflege endlich an die der Krankenhäuser anzupassen und entsprechend zu finanzieren.

Ehrenamtspreise für besonders Engagierte
Drei engagierte AWO-Frauen freuten sich über den erstmals verliehenen Ehrenamtspreis des Bezirks. Rita Stimper (Vorsitzende des AWO Ortsverein Rotthausen-Düppel), Gabi Manshon (zweite Vorsitzende des AWO Kreisverbandes Gelsenkirchen) sowie Elisabeth Ellinghaus (Vorsitzende der AWO Stiftung) erhielten diesen für ihren Einsatz vor Ort.
Grußworte auf der Konferenz hielten Gelsenkirchens Oberbürgermeisterin Karin Welge, AWO-Präsident Michael Groß, der Landtagsabgeordnete und Vorsitzender des AWO Unterbezirks Gelsenkirchen-Bottrop Sebastian Watermeier, Dörte Schall, stellvertretende Vorsitzende des Landesverbandes der NRW SPD sowie Angelina Wehberg und Benedikt Leiße vom Bezirksjugendwerk.

Einer der Schwerpunkte war die anstehende Europawahl am 9. Juni. Ein Initiativantrag des Vorstands rief dazu auf, wählen zu gehen. Katarina Barley, Europaabgeordnete und Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, unterstützte das und setzte den Schwerpunkt ihrer Rede auf den Kampf gegen rechts. Sie berichtete von ihren Erfahrungen im Europaparlament und von der unerträglichen Art der Abgeordneten aus dem rechtsextremen Spektrum, wenn diese sich unbeobachtet fühlten. Das könne man nur schwer ertragen, so Barley, die eindringlich appellierte, die Gefahr von rechts ernst zu nehmen. „Wir haben nur eine Chance: Das Parlament stark und demokratisch machen“, so Barley.
Beeindruckt zeigten sich die Teilnehmer auch von den jungen Menschen der JMD-Gruppe „Migrant*innen mischen mit“ aus dem AWO Unterbezirk Hochsauerland-Soest. Sie zeigten einen Auszug aus ihrem Theaterstück, sangen, rappten und gewährten (emotionale) Einblicke in ihr Leben in Deutschland.

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