"Mehr Männer in Kitas" / Abschlussveranstaltung in Dortmund

14.11.2013

Am 23.Oktober 2013 gab das Bundesfamilienministerium folgende Pressemitteilung heraus: Erfolgreiche Bilanz zum Modellprogramm "Mehr Männer in Kitas"

Drei Jahre nach Start des Modellprojekts des Bundesfamilienministeriums sind bundesweit rund 20.000 Männer in Kindertagesstätten tätig, davon gut drei Viertel als ausgebildete Fachkräfte. Damit konnte seit Beginn des Modellprogramms "Mehr Männer in Kitas" die Zahl der Erzieher um mehr als die Hälfte gesteigert werden. Berücksichtigt man die durchschnittliche Ausbildungszeit von drei Jahren, wird sich der Anteil der männlichen Erzieher von derzeit 3,6 Prozent bei Anhalten des Trends weiter erhöhen.

Und dennoch, Männer in sogenannten Frauenberufen, Männer in Kindertageseinrichtungen sind nach wie vor eine Rarität. Kinder, die professionell in unseren Kitas betreut werden, erleben meist nicht die Vielfalt einer männlichen und weiblichen Erziehung.

Auch die verschiedenen Familienmodelle, wie alleinerziehende Mütter, gleichgeschlechtliche Elternpaare und auch Väter in klassischen Kleinfamilien, die beruflich bedingt nicht regelmäßig am Erziehungsprozess beteiligt sind, haben zur Folge, dass manche Kinder wenige, bis gar keine männlichen Vorbilder haben. 
Gleichzeitig wissen wir aber, dass Frauen und Männer für die Erziehung der uns anvertrauten Kinder notwendig sind.

Das war Ende 2010 die Grundidee zu unserem Projektantrag „Rolle vorwärts – Mehr Männer in Kitas“.
Gemeinsam mit den Unterbezirken Ennepe-Ruhr, Hagen-Märkischer-Kreis, Münsterland-Recklinghausen und Ruhr-Mitte wurde inhaltlich an einem Konzept gearbeitet mit dem wir  annahmen, so junge Männer für die pädagogische Arbeit in Kindertageseinrichtungen gewinnen zu können.

Ziel war es vor allem im vom Strukturwandel und  Migration geprägten Ruhrgebiet durch eine einheitliche Strategie zu erreichen, dass Männer für den Erzieherberuf interessiert und geworben werden.
2010 waren rund 2500 pädagogische Fachkräfte innerhalb der AWO im Westlichen Westfalen beschäftigt. Davon waren 3% männlich.  Der Anteil der Erzieher mit nicht- deutschen Wurzeln war nach unserer Erhebung, noch geringer.

Da in zahlreichen Ruhrgebietskindertagesstätten mehr als 50% der Kinder einen Migrationshintergrund haben, fand dieses in der Konzeptionierung eine besondere Berücksichtigung.
Vorstellungen über klassische männliche und weibliche Berufsbilder, unterstützten auch die Vorurteile gegenüber männlichen Erziehern.

Der geringe Zulauf an männlichen Erziehern wird in der (Fach-)Öffentlichkeit in erster Linie mit der geringen Entlohnung und sozialen Anerkennung des Berufsfeldes begründet. Doch monetäre Aspekte allein erklären den geringen Anteil an männlichen Erziehern in Kitas nicht ausreichend. Darauf deuten nicht zuletzt Statistiken hin, die zeigen, dass es etliche Berufe gibt, in denen der Männeranteil wesentlich höher ist als im Erzieherberuf, deren Gehaltsniveau jedoch der durchschnittlichen Erziehervergütung ähnelt oder sogar unter dieser liegt :
Erzieher/Erzieherin ​2.130 €
Altenpfleger/Altenpflegerin ​2.140 €
Rettungsassistent/ Rettungsassistentin ​2.140 €Fachkraft für Lagerlogistik ​1.989 € Koch/Köchin ​1.815 € Bäcker/Bäckerin ​2.019 € Fleischer/Fleischerin ​1.326 € Maler/Malerin und Lackierer/ Lackiererin ​2.132 € KfZ-Mechatroniker/ KfZ-Mechatronikerin ​2.169 €
(Statistisches Bundesamt 2009, Ausbildungsjahr 2008)

Hier setzte die  AWO Bezirk Westliches Westfalen e.V. bei ihrer Projektbeantragung an. Gemeinsam mit den beteiligten Unterbezirken sollten  durch Teilprojekte junge Männer als Erzieher gewonnen und das Verhältnis von Vätern zu ihren Kindern gestärkt werden.
Folgende Schwerpunkte wurden von uns gesetzt:

  1. Ruhr-Mitte
    Fokussierung auf Väter-Kind-Angebote
  2. Münsterland-Recklinghausen
    Berufsorientierung für Schüler
  3. Hagen-Märkischer-Kreis
    Männer mit Migrationshintergrund als ehrenamtlich Tätige in Kitas, unter Einbeziehung von Eltern und Migrationsorganisationen. Öffentliche Veranstaltungen zur Auseinandersetzung mit der Rolle des Mannes.
  4. Bezirk Westliches Westfalen „ Lernen durch europäischen Vergleich“ Im Rahmen der EAFE (Europäische Akademie für  Elementarerziehung) Planung eines internationalen Fachtages und Fachkräfteaustausches
  5. Ennepe-Ruhr-Kreis „ Wir wollen die Besten“ Gezielte Ansprache junger, sozial engagierter Männer (z.B. aus Sport- und Jugendvereinen)für den Erzieherberuf.  Nachhaltige Betreuung durch ein Kontakthalteprogramm und das Bereitstellen von FSJ oder Praktikumsstellen.
  6. „ Männer Mobil“
    Mobile Beratung und Darstellung es Erzieherberufes in einem Wohnwagen der vor Schulen, Veranstaltungsorten, Fußballspielen steht.
  7. „Masterplan“
    Verschriftlichung von Best Practice Beispielen

Unser Antrag hatte Erfolg.
Als eines von 16 bundesweiten Modellprojekten in 13 Bundesländern gingen wir am 01.01.2011 an den Start, mit dem Ziel bis Ende 2013 Wege zu finden, mehr männliche Fachkräfte für Kitas zu gewinnen.
Das Programm wird vom Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und dem Europäischen Sozialfond gefördert.

"Wir sind stolz darauf, mit unserer Konzeptidee Anklang gefunden zu haben und neben der Caritas in Köln, das einzige Projekt in NRW zu sein" stellt Wolfgang Altenbernd, Geschäftsführer des AWO-Bezirksverbandes fest.
"Bundesweit war die AWO neben Dortmund nur noch in Thüringen vertreten."

Die Schirmherrschaft des  Projektes hat Ute Schäfer, Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes NRW übernommen.

"Eine besondere Erfahrung konnten wir, im Rahmen des Projektes, im Jahr 2012, auf unserem internationalen Fachtag machen. Sicher waren einige der hier Anwesenden mit dabei," ergänzt Norbert Dyhringer, Abteilungsleiter Soziales beim Bezirksverband.  "Es gab interessante internationale Vorträge und Diskussionen an Bord der Fähre von Kiel nach Oslo und zurück, lehrreiche Hospitationen in Oslo und ein Vortrag zum Thema Männer in norwegischen Kitas im Ministerium für Erziehung und Forschung. Die Ergebnisse dieser 4 Tage dauernden Fachtagung flossen in das Gesamtprojekt mit ein."

Neben der Tatsache, dass wir durch das Projekt besonders männliche Erzieher in den vergangenen drei Jahren gesucht haben, darf man aber auch nicht aus dem Auge verlieren, dass wir  in  unseren Kitas vor einem Fachkräftemangel stehen, der in andern Bundesländern schon viel stärker zum Tragen kommt.

Spätestens mit dem Inkrafttreten des Rechtsanspruchs auf einen Betreuungsplatz für unter Dreijährige seit August 2013 wird der Fachkräftemangel zu einem akuten Problem.
Diesem müssen wir begegnen und können dazu ebenfalls die gemachten Erfahrungen des Projektes nutzen.

Stellt man zum Schluss die Frage, was erreicht wurde, so kann man das zwar in Zahlen ausdrücken, wird der Sache aber nicht gerecht.
Wie schrieb die Münsterische Zeitung in ihrer Ausgabe vom 27.März dieses Jahres:
Kitas gehen auf Männerfang

Nach Zahlen der Koordinationsstelle „Mehr Männer in Kitas“ ist Münster im NRW-Vergleich spitze: Mit gut sechs Prozent ist die Quote hier mehr als doppelt so hoch wie im Landesdurchschnitt (2,99 Prozent). Bundesweit beträgt der Männeranteil in Kitas gerade einmal 3,5 Prozent.

Bei der AWO im Bezirk Westliches Westfalen ist die Zahl der männlichen Erzieher in Kindertageseinrichtungen leicht gestiegen und wir  liegen über dem Bundesdurchschnitt.
Die realen Zahlen werden aber erst in ein paar Jahren messbar sein, wenn die jungen Männer, die im Rahmen des Projektes beraten und informiert wurden, sich auch zum Erzieher haben ausbilden lassen.
Die Zahlen sind sicher noch weit von den gesteckten Zielen entfernt. Der Erfolg des Projektes liegt eher in der  Nachhaltigkeit und in dem angestoßenen Paradigmenwechsel.

Eines aber kann man auf jeden Fall festhalten:
Das aus Mitteln des Bundesfamilienministeriums und des Europäischen Sozialfonds (ESF) mit über 13 Millionen Euro geförderte Modellprogramm "MEHR Männer in Kitas" hat insgesamt 16 Modellprojekte in 13 Bundesländern auf den Weg gebracht, um mehr Männer für den Erzieherberuf in Deutschland zu gewinnen.

In den Projekten, die rund 210.000 Interessierte und Eltern erreichten, wurde eine Vielzahl unterschiedlicher Ideen und Konzepte entwickelt, um den Anteil männlicher Erzieher in den Kindertagesstätten zu steigern.

"Mit dem Abschluss des Projektzeitraumes dürfen die Erfahrungen und Modelle jetzt aber nicht einfach zur Seite gelegt werden. Unser kleines Bäumchen muss gegossen und gehegt werden, auf dass es zu einem starken Baum heranwächst und viele Früchte tragen wird," fordert Wolfgang Altenbernd in seiner Begrüßungsrede.

"Deshalb abschließend noch ein paar Wünsche von mir in diesem Zusammenhang:

  1. wir sollten die Erhöhung des Anteils männlicher Fachkräfte als Qualitätsziel benennen bzw. gegebenenfalls vorgeben
  2. wir sollten Organisations- und Personalentwicklungsprozesse initiieren, mit dem Ziel, Maßnahmen zur Erhöhung des Männeranteils institutionell als Querschnittsaufgabe zu verankern (beispielsweise in Leitlinien, Qualitätsstandards, Qualitätsvereinbarungen)
  3. wir sollten Kooperationen mit (Fach-)Hochschulen und Fachschulen für Sozialpädagogik eingehen, um männliche Praktikanten für die Einrichtung(en) zu gewinnen
  4. wir sollten zur Normalität statt Besonderheit bei der Bewertung von Männerbewerbungen in so genannten Frauenberufen wie aber auch von Frauenbewerbungen in sog. Männerberufen kommen"

Weitere Informationen:
Norbert Dyhringer
Abteilungsleiter Soziales
Kronenstr. 63-69
44139 Dortmund
Tel.: 0231/5483-245
norbert.dyhringer@awo-ww.de

Rede
Begrüßungsrede: Wolfgang Altenbernd, Geschäftsführer der Arbeiterwohlfahrt Westliches Westfalen e.V.

Dyhringer
Norbert Dyhringer, Abteilungsleiter Soziales

Abschlussrunde
(v.l.) Sandra Schulte (Koordinationsstelle Mehr Männer in Kitas, Berlin), Mike Knappe (Vater), Jochen Winter (Geschäftsführer des AWO Unterbezirks Ennepe-Ruhr), Martin Kaysh (Moderator), Stefan Wockenfuß (Erzieher, AWO Kita Lengerich)

Wallis-van der Heide
Heike Wallis-van der Heide (Projektkoordinatorin "Mehr Männer in Kitas")

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