Pflegen über die eigenen Grenzen hinaus

03.06.2024

Gesundheit von pflegenden Angehörigen ist die Grundlage für eine funktionierende Gesellschaft In den Vorsorgekliniken Landhaus Fernblick und Gesundheitszentrum Altastenberg in Winterberg kommen alle drei Wochen Menschen auf der Suche nach einem „Rettungsanker“ an. Die Situation zu Hause ist für die pflegenden Angehörigen oft kaum tragbar. Eine neue Studie der AOK belegt, dass die Mehrheit der Pflegenden bereits seit fünf Jahren oder länger die dauerhafte Verantwortung für eine pflegebedürftige Person trägt. Dabei werden im Durchschnitt 49 Wochenstunden für die Pflege aufgewendet – das sind 8 Stunden mehr als noch vor fünf Jahren.

Von dem anstrengenden Alltag körperlich und seelisch ausgelaugt, suchen die pflegenden Angehörigen in den Vorsorgekliniken dringend benötigte Stärkung durch eine „Kur“. Während des dreiwöchigen Klinikaufenthaltes, finanziert durch die Krankenkasse, können sie sich auf die eigene Gesundheit konzentrieren und neue Verhaltensweisen erlernen. Das Besondere: Auch pflegebedürftige Begleitpersonen können mit anreisen und werden zur Entlastung der pflegenden Angehörigen in der Tagesbetreuung umsorgt.

„Pflegende Angehörige benötigen einen besseren Zugang zu solchen Vorsorgemaßnahmen“, sagt der Geschäftsführer der AW Kur und Erholung GmbH Andreas Frank. Die Tochtergesellschaft des AWO Bezirksverbandes Westliches Westfalen betreibt die Kurkliniken im Sauerland. „Das Problem ist, dass die Menschen häufig nicht von den Angeboten wissen oder glauben, keinen Anspruch zu haben. Dabei steht die Vorsorgekur all jenen zu, die aufgrund der Pflegebelastung gesundheitliche Einschränkungen haben, angefangen bei jungen Pflegenden über pflegende Eltern bis hin zu hochaltrigen Pflegenden“, erläutert Frank. Die AW Kur und Erholung fordert seit Jahren mehr Unterstützung für pflegende Angehörige. Im Auftrag des Landes NRW hat die Gesellschaft gemeinsam mit der Freien Wohlfahrtspflege eine flächendeckende Beratungsstruktur in NRW zu den „Kuren für pflegende Angehörige“ auf den Weg gebracht. In einem Projekt wurde – gefördert von der Stiftung Wohlfahrtspflege – ein Rahmenkonzept erarbeitet und erprobt, das es auch anderen Klinikträgern ermöglichen soll, zielgruppenspezifische Maßnahmen für Pflegende anzubieten. Denn bisher gibt es zu wenige Plätze in Vorsorge- und Rehabilitationskliniken.

Ab Januar 2025 bietet das Lotte-Lemke-Bildungswerk der AWO auf Initiative der AW Kur und Erholung außerdem eine Weiterbildung „Case Management für pflegende Angehörige“ für Fachkräfte aus der Pflege- und Sozialberatung an. Die Teilnehmenden lernen, wie sie mit Hilfe des Case Managements pflegende Angehörige gezielt bei der Entwicklung von Gesundheitszielen und der Umsetzung von individuellen Entlastungsmaßnahmen können. So kann vor allem die psychische Gesundheit gestärkt werden. Die zukünftigen Case Manager*innen lernen auch, sich vor Ort optimal zu vernetzten, um pflegenden Angehörigen durch den Dschungel aus gesetzlichen Ansprüchen und Paragrafen zu lotsen sowie die richtigen Ansprechpartner*innen zu vermitteln. Informationen zur Weiterbildung und zu den Intensivierungsmodulen unseres Kooperationspartners, der Unfallkasse NRW, finden sich demnächst hier: https://www.lotte-lemke-bildungswerk.de/. Dann ist gleichzeitig auch die Online-Anmeldung freigeschaltet. „Es muss dringend weitere Entlastungsangebote für Pflegende sowohl stationär wie ambulant geben und die Zugänge zu gesundheitsfördernden Maßnahmen müssen erleichtert werden“, so Andreas Frank.

Die neue Studie der AOK belegt den Bedarf ganz deutlich: Jede vierte Hauptpflegeperson kann nach eigener Aussage die Pflegesituation „eigentlich gar nicht mehr“ oder „nur unter Schwierigkeiten“ bewältigen. Ein Viertel der Befragten hat die Arbeitszeit aufgrund der Pflegeverantwortung auf eine Teilzeitstelle reduziert und weitere 28 % haben die Erwerbstätigkeit gänzlich aus diesem Grund aufgegeben. In Zeiten des Fachkräftemangels kann es sich eine Gesellschaft nicht leisten, wertvolle Arbeitskräfte durch den Pflegenotstand zu verlieren. Die Care-Arbeit ist noch immer ungleich verteilt: Zwei Drittel der pflegenden Angehörigen sind Frauen.

„Um die Gesundheit und Pflegefähigkeit zu erhalten, sollten spezifische Gesundheitsangebote für Pflegende bekannt und leicht zugänglich sein. Barrieren in der Vereinbarkeit von Pflege und Beruf müssen reduziert werden. Wir sehen es als eine zentrale Aufgabe der AW Kur und Erholung an, sich auch weiter für die Belange pflegender Angehöriger aktiv einzusetzen“, resümiert Andreas Frank.

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