Die LAGÖF NRW – der Zusammenschluss von Trägern der freien und öffentlichen Wohlfahrtspflege in Nordrhein-Westfalen – begrüßt das geplante Aufholpaket des Bundes für Kinder und Jugendliche nach der Pandemie, hält dieses aber perspektivisch für nicht ausreichend. Der Bund hat ein Zwei-Milliarden-Euro-Programm verabschiedet, das unter anderem Lernhilfen, Ferien- und Freizeitmaßnahmen fördert. "Diese Einmalzahlung reicht nicht aus", betont LAGÖF-Vorstand Christian Heine-Göttelmann. Er ist ebenfalls Vorstand des Diakonischen Werks Rheinland-Westfalen-Lippe (Diakonie RWL). Nötig sei eine weitere regelmäßige Unterstützung zumindest in den kommenden fünf Jahren.
Die Kommunen, die für die Kinder- und Jugendhilfe verantwortlich sind, dürften jetzt nicht alleine gelassen werden, so Heine-Göttelmann. "Das Aufholen der Pandemie kann nicht von der finanziellen Stärke der einzelnen Kommunen abhängig sein." Die LAGÖF NRW fordere daher, dass der Bund nicht nur einmal, sondern zumindest in den kommenden fünf Jahren regelmäßig in die Zukunft der Kinder investiert. Die konkreten Bedarfe müssten dabei in den nächsten Jahren jeweils genau in den Blick genommen werden.
Angst vor der Zukunft
Ein knappes Jahr nach Beginn der Pandemie ist nach der bundesweiten Studie "JuCo2" der Universitäten Frankfurt und Hildesheim fast jedes dritte Kind psychisch angegriffen. Mehr als 7.000 Jugendliche hatten sich an der Studie beteiligt und von ihren Erfahrungen während der Corona-Krise berichtet. Sieben von zehn Kindern gaben dabei eine geminderte Lebensqualität an – vor den Lockdowns waren es noch drei von zehn Kindern. Zehnmal mehr Kinder als vor der Pandemie machen laut der Studie beispielsweise überhaupt keinen Sport mehr. Und auch die Sorgen vor der Zukunft sind gestiegen: 45 Prozent äußerten Zukunftsängste, weitere 23 Prozent räumten ein, zumindest manchmal Angst zu haben. Besonders betroffen sind Kinder und Jugendliche aus prekären Verhältnissen oder mit Migrationshintergrund.
Erhebliche Lernrückstände
Die Einschränkungen im Schulbetrieb haben zum Teil zu erheblichen Lernrückständen geführt. Darüber hinaus melden Mitarbeitende von Schulpsychologie, Schulsozialarbeit, Erziehungsberatungsstellen und Beratungsstellen für die Jugendberufshilfe einen steigenden Interventionsbedarf. Gleichzeitig drohen wichtige Ehrenamtsstrukturen wegzubrechen – mit enormen Folgen für die Gemeinschaft und Gesellschaft. "Allein mit dem Wiederherstellen eines sicheren Kita- und Schulbetriebs ist es deshalb nicht getan", betont LAGÖF-Vorstand Christian Heine-Göttelmann.
Körperliche und seelische Entwicklung
Seit über einem Jahr bestimmt die Pandemie nicht nur die formale, sondern auch die informelle Bildung. In langen Lockdown-Phasen waren 11,1 Millionen Kinder und Jugendliche von geschlossenen Schulen und Betreuungseinrichtungen betroffen. Auch Sport- und Kulturangebote waren über einen langen Zeitraum nicht möglich. Der soziale Austausch, der gerade für Jugendliche wichtig ist, fehlte phasenweise komplett. Studien weisen bereits jetzt darauf hin, dass sich der lange Ausnahmezustand auf die körperliche und seelische Entwicklung auswirkt.
Kinder und Jugendliche brauchen deshalb neben einer Förderung in den Kitas und Schulen vor allem ein attraktives Sport-, Kultur- und Freizeitangebot, betont die LAGÖF NRW. Das Verpasste aufzuholen, werde mehr Zeit in Anspruch nehmen als zwei Wochen Nachhilfeunterricht in den Ferien, so Heine-Göttelmann. "Wir müssen für Kinder und Jugendliche auch nach der Pandemie einheitliche Lebensverhältnisse schaffen. Alles andere wäre eine vertane Chance."
Die Pressemitteilung ist auch online verfügbar: https://www.diakonie-rwl.de/themen/familie-frauen-bildung/aufholpaket-kinder-und-jugendliche-reicht-nicht-aus
Die Landesarbeitsgemeinschaft der Öffentlichen und Freien Wohlfahrtspflege in Nordrhein-Westfalen (LAGÖF NRW) Die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege, die Kommunalen Spitzenverbände und die beiden Landschaftsverbände in Nordrhein-Westfalen haben sich zur Landesarbeitsgemeinschaft der öffentlichen und freien Wohlfahrtspflege (LAGÖF NRW) zusammengeschlossen. Die Mitglieder wollen als Träger von Diensten und Einrichtungen beziehungsweise als gesetzliche Kostenträger der Sozialhilfe und der Jugendhilfe die Sozialpolitik im Land gemeinsam mitgestalten. Ziel ist eine vertrauensvolle und partnerschaftliche Zusammenarbeit zum Wohl der Rat- und Hilfesuchenden.
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