Dreiviertel aller Befragten meint: Schulen sind nicht auf inklusives Lernen vorbereitet
Die Ergebnisse des aktuellen AWO Sozialbarometers setzen zum Europäischen Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung am 5. Mai ein deutliches Zeichen: „Die derzeitigen Schulen sind nicht bereit für ihren inklusiven Lehrauftrag. Wenn 78 Prozent aller Bürgerinnen und Bürger davon überzeugt sind, das die Schulen nicht darauf vorbereitet sind, Kindern und Jugendlichen mit und ohne Lernbehinderung ein gemeinsames Lernen zu ermöglichen, ist die Politik gefordert, Schulen noch viel mehr zu unterstützen. Gefragt sind vor allem ausgebildete Fachkräften und ein inklusiv ausgerichtetes Rahmenkonzept", meint der AWO Bundesvorsitzende Wolfgang Stadler und ergänzt: „Die AWO macht schon seit längerem darauf aufmerksam, dass die meisten Regelschulen weder strukturell noch pädagogisch-fachlich inklusiv sind."
Trotz föderaler Strukturen sieht die AWO den Bund in der Verantwortung. So müsse sich die Bundespolitik der von ihr unterzeichneten Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (UN-BRK) stärker verpflichtet fühlen und deutliche Signale setzen. „Man kann Regelschulen nicht per Beschluss zu inklusiven Schulen machen", kritisiert Stadler die häufig zu geringe Unterstützung. Die aktuellen Umfrageergebnisse des AWO Sozialbarometers sind nicht aus der Luft gegriffen. So ist die Skepsis besonders groß in der Altersgruppe der 35-49 jährigen, also der potentiellen Eltern von Schulkindern. Hier sind sogar 89 Prozent aller Befragten der Meinung, dass die Regelschulen nicht gut genug auf die pädagogische Herausforderung von inklusivem Lernen vorbereitet sind. Außerdem wird aus den Ergebnissen der Umfrage deutlich, dass die Unterstützung der Lehrkräfte durch zusätzliches Personal mit entsprechenden Fachkenntnissen und die Forderung nach kleineren Klassen als geeignetes Mittel eingeschätzt wird, die Situation zu verbessern.
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„Regelschulen müssen zu einem inklusiven Bildungssystem mit einer multiprofessionellen Ausrichtung und entsprechender Qualifikation der dort arbeitenden Menschen weiterentwickelt werden", fordert Stadler. Hierbei ist die Politik gefragt, inklusionsförderliche Strukturen zu schaffen und Mittel zur Verfügung zu stellen, damit alle Kinder und Jugendlichen - unabhängig von ihren Behinderungen - von inklusiven Regelschulen profitieren können. Zum anderen macht sich die AWO dafür stark, dass sich Regelschulen zu einem Bildungsort weiterentwickeln, an dem Personen verschiedener Professionen gemeinsam die Inklusion der Schülerinnen und Schüler gewährleisten. Hierbei sieht die AWO das Berufsfeld der Schulbegleitung als eine sinnvolle Unterstützung der Lehrkräfte an Regelschulen. Dieser sich neu entwickelnde Berufszweig kann zur Entlastung der Lehrkräfte und zur Sicherstellung des Rechtsanspruchs auf einen inklusiven Zugang zur Regelschule beitragen und muss daher fachlich aufgewertet werden.
Seit der Unterzeichnung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) im März 2009 ist besonders das System Schule in Bewegung gekommen. Im Zuge der Umsetzung der UN-BRK sollen Schülerinnen und Schüler mit und ohne Behinderungen vermehrt gemeinsam beschult werden. Im Rahmen der UN-BRK stehen die Bundesländer aufgrund ihrer Kulturhoheit in der Pflicht, ein inklusives Schulsystem umzusetzen. Auf schulgesetzlicher Ebene sind hier alle Bundesländer aktiv geworden und haben entsprechende Erweiterungen des schulischen Bildungsauftrags vorgenommen, um das System Schule für alle Kinder und Jugendlichen zugänglicher zu machen. Besonders in dieser sensiblen Zeit von Umbruch und Neuorientierung zeichnet sich ab, dass Regelschulen mit der Forderung nach Inklusion vor große Herausforderungen gestellt werden. Hierbei ergeben sich, auch durch die föderalistische Struktur, je nach Bundesland verschiedene Akzente in der Umsetzung der UN-BRK.
Das AWO-Sozialbarometer fragt nach sozialpolitisch relevanten Themen in Deutschland. Die Studie wird von TNS-Infratest durchgeführt.
Weitere Informationen unter www.awo-sozialbarometer.org.