Bündnis "Kinderarmut" fordert "Pflicht zur Prävention"

16.10.2011

Seit 2009 kämpfen in Nordrhein-Westfalen Arbeiterwohlfahrt (AWO), Deutscher Gewerkschaftbund (DGB), der Kinderschutzbund und der Paritätische gemeinsam gegen die Folgen von Armut bei Kindern und Jugendlichen. Noch immer leben in unserem Bundesland fast 800.000 Kinder und Jugendliche unterhalb der Armutsgrenze. Für viele ist damit der Weg ins soziale Abseits vorprogrammiert. Das ‚Bündnis zur Bekämpfung der Kinderarmut‘ erinnert deshalb an das Grundrecht auf Chancengleichheit und fordert von Politik und Verwaltung, die Betroffenen mit verpflichtender, präventiver Förderung aus dem Teufelskreis der Armut zu holen und damit gleichzeitig einen wichtigen Beitrag zur Zukunft unserer Gesellschaft zu leisten.

Vor diesem Hintergrund hat das Bündnis zur ‚Bekämpfung der Kinderarmut‘ Vertreter aus Politik, Verwaltung und der sozialen Arbeit zu einem Fachkongress mit dem Motto ‚Eine Pflicht zur Prävention? - Die Hilfen vom Kopf auf die Füße stellen!‘ eingeladen. Gut 200 Teilnehmer diskutierten am 6. Oktober in der Volkshochschule Düsseldorf über die Chancen und Möglichkeiten, mit präventiver Förderung, insbesondere armen Kindern Zukunftschancen zu eröffnen. Als gangbaren Weg dahin sehen die Bündnispartner den Aufbau sogenannter ‚Präventionsketten‘, einer lückenlosen Begleitung, Förderung und Unterstützung der Kinder von der Geburt bis zum Einstieg in das Berufsleben. In einem entsprechenden Appell mit dem Titel ‚Zum Auf- und Ausbau kommunaler Präventionsketten‘ begrüßt das Bündnis gleichzeitig die Absicht der Landesregierung, in einigen Kommunen modellhaft Präventionsketten zu etablieren.

Im Rahmen dieser Konferenz machte der Vorsitzende der Landesarbeitsgemeinschaft der AWO NRW, Bodo Champignon, deutlich: „Präventionsketten haben den Praxistest längst bestanden! Sie müssen nicht neu erfunden werden. Die Städte Monheim am Rhein und Dormagen zeigen wie es geht und welche Erfolge sich damit erzielen lassen."

Prof. Klaus Schäfer, Staatssekretär im Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport stellt in seinem Statement fest: „Der Einstieg in einen vorbeugenden Politikansatz ist gelungen. Jetzt müssen wir diesen Weg konsequent fortsetzen. Wir werden den Ansatz einer vorbeugenden Politik als Querschnittsthema für alle Politikbereiche weiterentwickeln. Wir wollen alle vorhanden Projekte und Programme mit dem Ziel optimieren, Kinder an den Orten, an denen sie leben, zu befähigen, den Herausforderungen des Lebens gerecht zu werden. Ausgaben für die frühe Förderung verstehen wir in diesem Zusammenhang nicht als Kosten, sondern als Investitionen, die sich - langfristig gesehen - sowohl für den Einzelnen als auch die
Gesellschaft auszahlen."

„Zu Unrecht werden die präventiven Leistungen als freiwillige bezeichnet und dem Diktat der Kämmerei unterworfen", kritisiert der Staatsrechtler Prof. Dr. Hans-Jürgen Schimke. „Prävention muss aus einem begründeten Rechtsanspruch der Kinder abgeleitet werden, um sie zu einem tragfähigen gesellschaftlichen Konstrukt werden zu lassen."

„Frühe Hilfen müssen bei Bedarf eingeklagt werden können", so Dieter Greese, NRW-Landesvorsitzender des Deutschen Kinderschutzbundes. „Es kostet die öffentliche Hand ein Vielfaches, wenn Rechtsansprüche auf erzieherische Hilfen erst dann eingeräumt werden, wenn junge Menschen erheblich sozial geschädigt
sind."

„Derzeit steht einem solchen Rechtsanspruch der Kinder das Elternrecht des Grundgesetzes im Wege. Um den Kindern zu ihren Präventionsleistungen zu verhelfen, bedarf es deshalb einer eigenen Rechtsposition der Kinder im Grundgesetz", so Prof. Dr. Hans-Jürgen Schimke.
Gerda Holz, vom Instutut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik in Frankfurt am Main (ISS) forderte: „Der Ansatz von Präventionsketten in den Kommunen in NRW muss mit Leben gefüllt werden. Was beim Bürger de facto ankommt, kann durch die erfolgreichen Projekte in Monheim am Rhein und Dormagen aufgezeigt werden. Die Lebenssituation von sozial benachteiligten und armen Familien konnte verbessert
werden."

  • Die Sprachkenntnisse und die Gesundheitsdaten armer Kinder verbessern sich, die Zahl der Schulabbrecher sinkt, die Bildungsabschlüsse steigen, immer mehr jungen Menschen bekommen die Chance zu einem gelingenden Einstieg in das Berufsleben.
  • Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessert sich, Eltern ist die (Re-)Integration in den Erwerbsmarkt eher möglich.
  • Das wiederum führt sowohl zu einer sicheren finanziellen Absicherung als auch zur Stärkung von sozialer Teilhabe, Selbsthilfe und Selbstverantwortung.

Gunder Heimlich, Vorsitzender der AWO Niederrhein stellt resümierend fest: „Präventionsketten sind eine Zukunftsinvestition! Nachhaltig wirkende Infrastrukturentwicklung und Daseinsvorsorge für alle Kinder und Jugendliche sind heute und jetzt gefragt. Die Umsetzung von Präventionsketten muss eine Pflichtaufgabe der Kommunen und des Landes werden. Prävention rechnet sich gesellschaftlich, sozial und finanziell. Das NRW Bündnis zur Bekämpfung von Kinderarmut fordert, die bereits vorhandenen erfolgreichen kommunalen Modelle in NRW zur Regelstruktur auszubauen."

Rückfragen: Michael Schöttle, Telefon 02 01 / 31 05 - 233, michael.schoettle@awo-niederrhein.de

Appell 'Zum Auf- und Ausbau kommunaler Präventionsketten' als PDF

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