Deutsche Freunde und deutsche Sprache - Was junge Geflüchtete wirklich wollen

05.09.2016

AWO-Projekt „Young Refugees NRW" lässt  Kinder und Jugendliche zu Wort kommen

Integration? Na klar! Junge Geflüchtete, die in NRW leben, wollen einen Platz in unserer Mitte finden - uns das möglichst schnell. Sie wissen aber oft nicht, wie und benötigten hierfür Menschen, die sie, im übertragenen Sinne, an die Hand nehmen. Das hat eine Studie ergeben, die der AWO Bezirksverband Westliches Westfalen e.V. mit Sitz in Dortmund gemeinsam mit dem Frankfurter „Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik" (ISS) durchgeführt hat. Die Ergebnisse wurden am 2. September auf einer Fachtagung in Bochum vorgestellt und diskutiert.

Unter dem Titel „Das Richtige tun" debattierten Experten über Handlungsansätze speziell für geflüchtete Kinder und Jugendliche. Unter den Fachleuten waren auch Daniela Schneckenburger, Dezernentin für Jugend, Schule und Familie bei der Stadt Dortmund sowie Jörg Loose, Bereichsleiter Kinder, Jugend und Familie beim AWO Unterbezirk Dortmund.

„Unser Projekt rückt die Lebenssituation der Kinder und Jugendlichen in den Fokus. Wir wollen ihnen konkrete Unterstützung anbieten und deshalb genau wissen, welche Wünsche und Vorstellungen die jungen Menschen haben", so der AWO-Vorsitzende Michael Scheffler. Diese Verbindung von Forschung und praktischen Nutzen macht das Projekt so einzigartig. Gefördert wird es von der „Stiftung Wohlfahrtspflege NRW".

Was brauchen Kinder und Jugendliche, um sich in Deutschland heimisch zu fühlen? Und wollen sie das überhaupt - sich hier einleben? „Ganz klar: ja", fasst Scheffler das Ergenis der qualitativen Studie zusammen.  
61 Kinder und Jugendliche wurden hierfür in Dortmund, Soest und Borken befragt. Sie stammen aus Afghanistan, Eritrea und Syrien - den Hauptherkunftsländern der jungen Geflüchteten. Viele davon sind als so genannte UmF (Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge) nach Deutschland gekommen. Manche leben noch in Gemeinschaftsunterkünften, andere in Wohnungen. Sie  haben eines gemein: Sie suchen Anschluss. Kontakt zu deutschen Gleichaltrigen und gute Sprachkenntnisse - das wünschen sie sich alle. Oft scheitert es aber am Zugang: Bürokratische oder organisatorische Hürden, fehlende Informationen über Angebote und Möglichkeiten erschweren das Ankommen. Manche fühlen sich sogar isoliert.    

Die Bedeutung der Sprache als Zugang, ist ihnen bewusst: Die Motivation, Deutsch zu lernen, ist in allen Altergruppen sehr hoch. Sprachkurse sind begehrt. Kinder und Jugendliche nutzen Bücher, Apps, Kindersendungen oder ganz einfach die älteren Geschwister, um deutsch zu lernen - viele verbringen sogar ihr Freizeit nach Schulschluss damit. Denn der Wunsch, Freunde zu finden und sich mit Gleichaltrigen auszutauschen ist bei allen Befragten groß.  Vor allem ältere leiden darunter, wenn Kontakte fehlen und sie bei Einheimischen auf Abgrenzung und Ablehnung stoßen.

Bildung hat für die Befragten einen hohen Stellenwert, deshalb sehen sie den Schulbesuch als Chance. „Sie wollen lernen und die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft stellen", so Scheffler. Welche Berufe streben sie an? Die Kinder und Jugendlichen nennen zumeist akademische Jobs wie Arzt, Anwalt, Ingenieur aber auch Polizist und sind bereit, sich anzustrengen, um diese hoch gesteckten Ziele zu erreichen. „Die Flucht ist mit dem Wunsch nach Statusaufstieg verbunden" - so heißt es in dem Bericht.
Aber nicht nur das: Mit den Berufsbildern gehen auch Vorstellungen von Gerechtigkeit sowie eigene Entwürfe einer besseren Welt einher. Anderen zu helfen, zu beschützen oder etwas aufzubauen, ist den befragten Kindern und Jugendlichen wichtig.  

Vor allem diejenigen, deren Familien noch im Herkunftsland leben, stehen unter Druck. Sie wollen sich möglichst schnell in Deutschland zurechtfinden, um die im Herkunftsland verbliebenen Angehörigen unterstützen zu können - ob finanziell oder mit einer selbst geschaffenen Lebensgrundlage, die den Angehörigen den Start elreichtern würde. Unbegleitete Minderjährige wünschen sich natürlich, dass ihre Familie irgendwann wieder zusammen in Sicherheit lebt.  

Was sie sich am meisten wünschen? Sicherheit und Normalität. Letzteres bedeutet das, was man  als „Ankommen im Alltag" bezeichnen kann: Freude finden, zur Schule gehen und sich Teil der ortsansässigen Bevölkerung zu fühlen.  

Um geflüchteten Kindern und Jugendlichen die Orientierung zu erleichtern und Wege aufzuzeigen, sich zurecht zu finden, hat der Bezirksverband eine kostenlose App entwickeln lassen. Die Anwendung vermittelt alles rund um Asyl, Arbeitsmarkt, Sprache, Schule und Freizeitgestaltung - zugeschnitten sind die Informationen speziell auf NRW. Die App ist  in acht Sprachen verfügbar.

Darüber hinaus wurde ein „Wegweiser für Fachkräfte" veröffentlicht, die sich an Mitarbeiter in Jugendämtern, Flüchtlingsberatungsstellen und Ministerien richtet. All diejenigen, die im beruflichen Alltag mit der Thematik „junge Flüchtlinge" befasst sind, finden hier alles rund um  Asylverfahren, rechtlichen Fragestellungen und Prozederen - abgestimmt auf die Besonderheiten junger Flüchtlinge. Ihnen sollen in der Beratung durch gezielte Informationen die Türen zu Angeboten geöffnet werden.  

Sämtliche Ergebnisse werden auf der Website www.youngrefugees.nrw zusammengefasst, aktualisiert und zum Download bereitgestellt.

Foto Fachtagung Young Refugees NRW
Das Foto zeigt von links: Norbert Killewald (Geschäftsführender Vorstand der Stiftung Wohlfahrtspflege), Bernd Neuendorf (Staatssekretär im Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport), Uwe Hildebrandt (Geschäftsführer AWO Bezirksverband Westliches Westfalen e.V.) und Michael Scheffler (Vorsitzender des AWO Bezirksverbandes).

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