Am 13. Mai wählen die Bürgerinnen und Bürger Nordrhein-Westfalens ein neues Landesparlament. Damit erfolgt die zentrale Weichenstellung für das politische Handeln im einwohnerstärksten Bundesland. Bodo Champignon, Vorsitzender des AWO-Bezirks Westliches Westfalen fordert die Stärkung „des Sozialen“ in unserem Land.
Herr Champignon, die Stimme der AWO als soziales Unternehmen und als große Mitgliederorganisation findet Gehör – auch im Wahlkampf. Was sind die zentralen Forderungen der AWO zur Landtagswahl 2012?
Es ist richtig, die Bezirksverbände der AWO nehmen in NRW drei ganz wesentliche sozial- und gesellschaftspolitische Funktionen wahr: Sie sind Vertreter sozialer Interessen und Sprachrohr derjenigen, die sonst oft kein Gehör finden. Sie sind ein demokratisch strukturierter Mitgliederverband mit über 115.000 organisierten Frauen und Männern. Und sie sind Träger zahlreicher sozialer Unternehmen, Dienste und Einrichtungen. Wir setzen uns deshalb auch mit Blick auf die bevorstehende Landtagswahl immer für soziale Gerechtigkeit ein und wir äußern uns sowohl aus der Perspektive der betroffenen Menschen als auch des sozialen Dienstleisters.
Was bedeutet das für Ihre Forderungen konkret?
Wir wollen das Soziale in unserem Land stärken und Nordrhein-Westfalen für alle Bürgerinnen und Bürger zukunftsfähig und lebenswert machen. Und wir wissen auch um die besondere Rolle von NRW für den Bund. Das einwohnerstärkste Land kann eine wichtige Korrekturfunktion in Berlin wahrnehmen – gerade auch in der Gesundheits- und Sozialpolitik, die in der Vergangenheit von uns als AWO scharf kritisiert worden ist.
Zum Beispiel?
Die längst überfällige Reform der Pflegeversicherung, welche die Lasten der Finanzierung auf wirklich alle Schultern verteilt, ist – abgesehen von den unzureichenden Versuchen einer besseren Finanzierung für die Pflege Demenzkranker – bis auf weiteres verschoben. Es steht zu befürchten, dass sich die radikalen Vorstellungen der FDP durchsetzen und wir auch in der Pflegefinanzierung, wie schon im Gesundheitswesen, ein Mehrklassensystem erhalten. Gute Pflege wird dann abhängig vom Geldbeutel des Einzelnen sein und nicht mehr Aufgabe der Solidargemeinschaft zwischen Jung und Alt. Das darf nicht sein.
Was kann in NRW unmittelbar getan werden?
Das Land muss seinen Gestaltungsspielraum nutzen und gleichwertige Lebensbedingungen in NRW schaffen. Immer mehr arme Menschen in armen Kommunen müssen eine zusätzliche Benachteiligung durch weg brechende soziale Angebote erfahren. Insbesondere im System der Bildung und Erziehung und bei der sozialen Infrastruktur muss Landespolitik dafür sorgen, dass die Ungleichheiten zwischen armen und reichen Kommunen beseitigt werden.
Rot-Grün hat einige zentrale Forderungen der AWO umgesetzt …
…und an denen darf nach der Neuwahl nicht gerüttelt werden. Zum Beispiel in der Bildungspolitik: Für mehr Chancengleichheit muss das längere gemeinsame Lernen, was wir mit Einführung der Sekundarschulen nun zumindest punktuell haben, weiter vorangetrieben werden. Bildung muss außerdem kostenlos sein. Die Abschaffung der Studiengebühren und die Einführung des dritten gebührenfreien Kindergartenjahres waren hier ein wichtiger Schritt. Aber es gibt noch viel zu tun: Wenn laut einer aktuellen Studie in unserem Schulsystem auf einen Aufsteiger neun Absteiger kommen, ist das nicht hinnehmbar. Wir fordern: Kein Schüler darf ohne berufsqualifizierenden Abschluss aus der Schule entlassen werden.
Das ist auch ein wichtiger Punkt, wenn es um verlässliche Vorsorgepolitik bei der Bekämpfung von Altersarmut geht.
Genau. Wir wollen Prävention so früh wie möglich, keinen später immens teuren Reparaturbetrieb. Schauen wir uns die aktuellen Überlegungen der zuständigen Bundesministerin zur so genannten „Zuschuss-Rente“ an. Die Voraussetzungen dafür werden von der Mehrzahl der Geringverdiener - und insbesondere die sind von Altersarmut bedroht - nicht erfüllt. Auch Langzeitarbeitslose werden keine Chance haben, die Bedingungen zu erfüllen. So lösen wir das Problem ganz bestimmt nicht.
Grundsätzlich gilt: Wir verlangen von den Parteien schlüssige Antworten auf all diese großen Herausforderungen der Zukunft. Und: Nach dem Wahlkampf müssen Taten folgen.