Frauenhauskonferenz auf der Suche nach Wegen gegen digitale Gewalt. Landesregierung sagt Unterstützung zu. Medienethik ist gefragt!
Vor der Zeit der Smartphones boten Frauenhäuser Schutz an geheim gehaltenen Adressen. Heute muss als erstes die Ortungsfunktion des Handys deaktiviert werden, wenn eine Frau vor der physischen Gewalt geflohen ist. Dann kann sie erst einmal nicht mehr aufgespürt werden, aber der Gewalt in den sozialen Medien ist sie damit noch nicht entflohen. Sicherheit muss neu gedacht werden stellt Xenja Winziger vom AWO Bezirksverband in der Moderation klar. Viele neue Herausforderungen stellen sich an die rd. 80 Mitarbeiterinnen in den Schutzeinrichtungen, wie auf der 4. Fachtagung der NRW-Frauenhauskonferenz, einem Bündnis aus AWO, Caritas, Diakonie und Der Paritätische sowie die LAG Autonomer Frauenhäuser, in Dortmund deutlich wurde. Technische, rechtliche und nicht zuletzt Fragen der Medienkompetenz und -ethik müssen beantwortet werden. Unterstützung dabei versprach die Staatssekretärin im NRW-Gesundheitsministerium, Martina Hoffmann-Badache: Dieser Problematik werde ein eigenes Kapitel im Landesaktionsplan "Gewalt gegen Frauen" gewidmet werden.
Mit hohem Interesse folgten die AWO-Mitarbeiterinnen dem Thema und nahmen viele hilfreiche Hinweise für ihren Alltag mit den betroffenen Frauen und Kindern mit. Die Formen der Cybergewalt sind vielfältig und reichen von der sexuellen Belästigung über Mobbing bis zu massiver Bedrohung. Sowohl die physische als auch die psychische Gesundheit ist davon bedroht, so Hoffmann-Badache. Gut drei Viertel der Opfer seien Frauen. Dabei sei das Internet kein rechtsfreier Raum und insofern zu überlegen, wie das Recht in diesem Bereich weiter entwickelt werden könne. Entsprechende Beschlüsse dazu seien auf der Ebene der Länderministerien gefasst und müssten jetzt umgesetzt werden.
Fluch und Segen der sozialen Medien zeigte die Hamburger Diplompädagogin Carmen Kerger-Ladleif an Zahlen auf. 51 Millionen Fotos werden jeden Tag in Deutschland bei Instagram hochgeladen, weltweit seien zu jeder Zeit 750.000 Pädokriminielle im Netz unterwegs und 45 Prozent der Mädchen und Frauen fühlten sich schon einmal online sexuell belästigt. Andererseits böten die modernen Medien neue Kommunikationschancen. Doch dazu brauche es Medienkompetenz, für die der Grundstein früh gelegt werden müsse.
Denn auch Cybergewalt beginnt früh und gefährdet insbesondere Heranwachsende, so Kerger-Ladleif. Einmal geführte Chats oder hochgeladene Fotos und Videos seien nicht mehr oder nur unter hohem Aufwand wieder aus dem Netz zu entfernen. Da gebe es keinen Schutzraum mehr: "Digitale Gewalt ist dokumentierte Gewalt," stellte Kerger -Ladleif fest.
Umso wichtiger ist Schnelligkeit. Die Medienrechtlerin Astrid Ackermann aus Frankfurt empfahl den Mitarbeiterinnen der Frauenhäuser, möglichst zeitnah Daten löschen zu lassen und dafür gegebenenfalls die Hilfe der Schwerpunktdezernate der Kriminalpolizei zu suchen. Insgesamt berühre Cybergewalt mehrere Rechtsbereiche und sei komplex. Die Möglichkeit einer straf- oder zivilrechtlichen Verfolgung scheitere häufig daran, dass die Täter nicht aufzuspüren seien. In der Praxis der beiden AWO. Frauenhäuser wird immer deutlicher das Gewaltschutz für die Frauen und Kinder anders in den Blick genommen werden muss.
Neben den rechtlichen Aspekten werden sich die Frauenhäuser mit der Vorbeugung beschäftigen müssen, erklärte die Medienpädagogik Michaela Brauburger. Es müsse eine neue Haltung im Umgang mit den Medien entwickelt werden. Es gelte zum Beispiel, ein Foto nicht nur deshalb hochzuladen, weil das technisch möglich sei, sondern "es gerade nicht zu tun, obwohl es geht".
Verbreiteten sich neue Apps und Netzwerke, müssten die Mitarbeiterinnen sie nicht selbst nutzen, aber sich damit beschäftigen, um gegebenenfalls eingreifen oder vor Gefahren warnen zu können, so Brauburger. Hilfreich sei dabei, dass das Internet nicht nur Probleme verursache, sondern auch viele Informationen zu deren Lösung anbiete.
Die Arbeit in den AWO- Frauenhaus muss sich ändern, die digitale Welt nimmt Einzug in die Beratungsarbeit. Die Sicherheit von Menschen in Netzwerken ist hier zu achten, so das Fazit der Expertinnen.
Ansprechpartnerin:
Xenja Winziger
Referat Kinder-, Jugend- und Familienhilfe
Kronenstr. 63-69
44139 Dortmund
Tel.: 0231/5483-299
Email: xenia.winziger@awo-ww.de
(Staatssekretärin des MGEPA NRW Frau Hoffmann-Badache)
(Expertin für virtuelle Gewalt im Netz: Carmen Kerger-Ladleif)