Zwei oder drei Sprachen zu sprechen wird schon bald eine Selbstverständlichkeit sein. Je früher Kinder eine neue Sprache lernen, desto besser. Gehört deshalb zweisprachigen Kindertageseinrichtungen die Zukunft? Eigentlich sollte das so sein, meinten die Fachleute, die die Europäische Akademie für Elementarerziehung (EAFE) der Arbeiterwohlfahrt zusammen mit dem Verein für frühe Mehrsprachigkeit an Kindertageseinrichtungen und Schulen (FMKS) am 4. Februar zu einer Tagung nach Dortmund eingeladen hatten. In der Realität sind solche Kitas aber noch die Ausnahme.
In ein „Sprachbad“ möchte Eva Hammes-Di Bernardo die Kinder schicken. Sie ist Referentin in saarländischen Kultusministerium und dort zuständig für 120 bilinguale – zweisprachige - Kindertageseinrichtungen. Damit hat das kleine Bundesland etwas realisiert, wovon Bildungswissenschaftler und -politiker in anderen Ländern noch träumen.
In den zweisprachigen saarländischen Kindergärten spricht eine von zwei Erzieherinnen nur Französisch. Französisch gehört für die Kleinen zum vertrauten Lebensumfeld, ist im Alltag immer um sie herum – wie das Wasser in einem Bad. So lernen sie die Zweitsprache wie ihre Muttersprache ohne sichtliche Anstrengung.
Außerhalb des kleinen Saarlandes sind zweisprachige Kindertageseinrichtungen immer noch Ausnahmeerscheinungen. Aber das Interesse ist groß.
An der AWO-Fachtagung im Dortmunder RWE Sonnenenergie-Forum nahmen 165 Erzieherinnen und pädagogische Fachleute aus allen Bundesländern, Dänemark und Frankreich teil.
Stichworte wie Globalisierung oder Europäisierung verdeutlichen spätestens seit der Pisa-Studie die Notwendigkeit, in mehreren Sprachen reden zu können. „Zwei Sprachen sind Standard, drei wünschenswert“, sagt Jürgen Meißner, Vorsitzender der EAFE.
„Die Kindergartenkinder lernen durch Zuhören, während sie Dinge tun, ganz nebenbei“, beschreibt Dr. Petra Burmester von der Universität Osnabrück den ganzheitlichen Ansatz. Schrift und Regeln spielen keine Rolle. „Die Grammatik entwickelt sich von selbst.“ Wichtig ist die die Verbindung der Sprache mit Emotionen, Gestik, Mimik und Körpersprache.
Prof. Dr. Thorsten Piske von der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd unterstreicht dies: „So ins Sprachbad geworfen, produzieren die Kinder schon nach einem halben Jahr von sich aus Wörter oder kurze Sätze in der Fremdsprache. Bilingual unterrichtete Kinder zeigen bei Lesetest sogar bessere Leistungen als einsprachig deutsch unterrichtete Kinder“.
„Die Fähigkeit, Sprachen zu lernen ist in der frühen Kindheit am größten; dann, wenn die Kinder auch die Muttersprache noch lernen. In der Grundschule, da sind sich die meisten Wissenschaftler einig, ist es eigentlich schon zu spät für diese spontane Wissensvermittlung,“ so Uta Fischer, Leiterin einer bilingualen Grundschule in Schleswig-Holstein.
Dennoch mag es wie Luxus aussehen, wenn der Nachwuchs im Kindergarten englische oder französische Sprachkompetenz erwirbt, während die mangelnden Deutschkenntnisse vieler Migrantenkinder in Kindertageseinrichtungen zum zentralen Problem werden. Dieser „Code-Mix“ der Sprachen wird zum Problem, weil die Kinder weder die in der Familie vorherrschende Sprache – etwa Türkisch – noch Deutsch richtig können.
Doch auch da kann das „Sprachbad“ Wunder bewirken. „Weil Kinder von Zuwanderern und deutschstämmige Kinder bei der neuen Sprache vom selben Stand ausgehen, ist niemand benachteiligt. Im Gegenteil: Kinder, die schon zu Hause zwei Sprachen sprechen, haben oft einen Vorteil – und die Chance, Selbstbewusstsein zu sammeln, weil sie etwas genauso gut oder sogar besser können als die anderen,“ vertritt Dr. Annette Lommel vom FMKS.
„Auch in unserem Bezirksverband wird nicht nur über bilinguale Einrichtungen für Kinder theoretisiert, der Unterbezirk West-Münsterland plant die Umsetzung eines deutsch-englischen Kindergartens in Gronau und der Unterbezirk Hamm-Warendorf eines deutsch-englischen Kindergartens in Hamm,“ so Norbert Dyhringer, Geschäftsführer der EAFE.
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