Die Tarifforderungen, mit denen die Dienstleistungsgesellschaft Ver.di die Arbeiterwohlfahrt in Nordrhein-Westfalen konfrontierte, sprengen jeden Rahmen. Denn zu dem angekündigten Plus von 3,5 Prozent verlangt die Gewerkschaft gleich eine Fülle weiterer Leistungen. Summiert laufen allein die unmittelbaren Lohn- und Gehaltsforderungen auf einen realen Zuschlag von durchschnittlich 7,5 Prozent je nach Eingruppierung hinaus. „Und das liegt weit über den sonstigen Tarifabschlüssen in diesem Jahr", sagt Wolfgang Altenbernd, Geschäftsführer des AWO-Bezirksverbandes Westliches Westfalen.
Die gestern bei der ersten Verhandlungsrunde vorgelegten Forderungen im Ausschnitt:
- Ver.di will die Monatsentgelte um pauschal 100 Euro und zusätzlich um 3,5 Prozent erhöhen.
- Zugleich soll eine weitere Zulage von 150 Euro für alle pädagogischen Fachkräfte in speziellen Entgeltgruppen gezahlt werden.
- Ebenfalls um 100 Euro sollen laut Ver.di die Azubi-Vergütungen steigen - mit der zusätzlichen Forderung, alle Auszubildenden automatisch in eine Dauerbeschäftigung zu übernehmen.
- Der Tarifurlaub soll für alle Mitarbeiter auf 30 Tage pro Jahr angehoben werden.
- Überdies will die Gewerkschaft nur einen Tarifvertrag mit einer Laufzeit von einem Jahr abschließen, der dem AWO-Bezirksverband jede mittelfristige Planungssicherheit nehmen würde und schon deshalb inakzeptabel ist.
AWO: Forderungen gehen weit über das Leistbare hinaus
„Der Ver.di-Forderungskatalog geht weit über das Leistbare und auch über den letzten Abschluss im Öffentlichen Dienst hinaus", kommentiert Wolfgang Altenbernd. Da sei jede Verhältnismäßigkeit verletzt - zumal die AWO ihren Beschäftigten ohnehin vergleichsweise gute Arbeits- und Tarifbedingungen biete. Über eine prozentuale Anhebung der Löhne und Gehälter sei zu sprechen - aber da sprenge schon der jetzt verlangte Rahmen die Möglichkeiten des Wohlfahrtsverbandes und seiner vielen sozialwirtschaftlichen Einrichtungen im westlichen Westfalen.
Umso unverständlicher sei die Ankündigung der Gewerkschaft, bereits nach der ersten Verhandlungsrunde in erste Warnstreiks eintreten zu wollen. Die sollen bereits in der kommenden Woche beginnen, wurde gestern laut - und dann möglicherweise auch so sensible Bereiche wie die Altenpflege und die Kindertagesstätten treffen.
„Selbst wenn wir auf die Forderungen eingehen würden, wir könnten sie beim besten Willen nicht refinanzieren", betont Wolfgang Altenbernd: Denn die Finanzierung der AWO-Einrichtungen und -Angebote hängt bekanntlich ab von Kostenträgern wie den Sozialkassen sowie öffentlichen Zuschussgebern, die selbst jeden Euro zweimal umdrehen müssen. Sie unterliegt einem anderen Verhandlungszyklus - und das Plus lag da in den vergangenen Jahren lediglich bei durchschnittlichen 2,5 Prozent. Wenn die Gewerkschaftsforderung jetzt real zwischen 5,2 und 10,3 Prozent liege, zwinge Ver.di die AWO im westlichen Westfalen, entweder sehenden Auges in die Überschuldung zu gehen oder die Leistungen der rund 17.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Regierungsbezirken Arnsberg und Münster weiter zu verdichten. „Das kann aber weder im Interesse der Beschäftigten noch der Kinder, Pflegebedürftigen und Senioren liegen, die allzu häufig existentiell auf die Leistungen der AWO angewiesen sind."