Studie belegt soziale Ungerechtigkeit staatlicher Familientransfers: AWO und DIW-Präsident fordern Neuausrichtung der Familienförderung

15.10.2024

Der AWO Bundesverband kritisiert das System monetärer Familienförderung in Deutschland als zutiefst sozial ungerecht. Während Spitzenverdienende durch die Kinderfreibeträge bei der Einkommensteuer schon jetzt eine monatliche Entlastung von bis zu 370 Euro haben, beträgt das Kindergeld für alle lediglich 250 Euro, rechnet der Wohlfahrtsverband vor. Der Staat verzichtet durch diese Bevorteilung sehr wohlhabender Familien auf zusätzliche Einnahmen in Höhe von rund 3.5 Milliarden Euro pro Jahr, die für die Unterstützung bedürftiger Familien dringend nötig wären, kritisiert die AWO.

Laut einer heute vorgestellten Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Econ im Auftrag der AWO beziehen etwa 4,5 Millionen Haushalte in Deutschland allein das Kindergeld, während 4,2 Millionen Haushalte zusätzlich Kinderfreibeträge geltend machen. Während die durchschnittliche zusätzliche Entlastung durch die Kinderfreibeträge bei Familien mit mittleren Einkommen jedoch lediglich bei knapp unter 400 Euro im Jahr liegt, werden Familien mit gehobenem Einkommen mit zusätzlich rund 1000 Euro und die reichsten Haushalte mit 1400 Euro pro Jahr zusätzlich zum Kindergeld durch den Staat gefördert. Einkommensarme Familien und solche mit prekären Einkommen profitieren quasi nicht von Freibeträgen. Die Entlastung durch die Freibeträge fällt zudem besonders gering in Alleinerziehenden-Haushalten aus, die überdurchschnittlich häufig von Armut bedroht sind.

Der AWO Bundesverband fordert vor diesem Hintergrund die Absenkung des Kinderfreibetrags für “Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsaufwand” (BEA) bis auf das verfassungsmäßig gebotene Minimum und stattdessen die zielgenaue finanzielle Förderung von Familien mit wenig Einkommen. “Der aktuelle Familienlastenausgleich ist nicht nur familienpolitisch ungerecht, sondern auch verteilungspolitisch grob fahrlässig”, kritisiert Michael Groß, Präsident des AWO-Bundesverbands. “Es braucht endlich eine solidarische Neuausrichtung der Familienförderung, die auf Steuergeschenke für Reiche verzichtet und denjenigen hilft, die darauf angewiesen sind.”

Eine Absenkung des BEA-Freibetrags auf 300 Euro würde laut Studie dazu führen, dass nur noch rund 1.2 Millionen Haushalte eine zusätzliche Entlastung bei der Einkommensteuer über das Kindergeld hinaus pauschal geltend machen könnten, die im Durchschnitt bei rund 26 Euro pro Monat läge. Für den Staat ergäben sich daraus schätzungsweise rund 3.48 Milliarden Euro Mehreinnahmen, die zur Stärkung von Familien mit kleinem Einkommen und im Kampf gegen Kinderarmut genutzt werden könnten, u.a. durch die Erhöhung des Kinderzuschlags und der Kinderregelsätze in der Grundsicherung.

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, sieht in dieser Reform ein Gebot ökonomischer Vernunft. “Es handelt sich um eine pragmatische Maßnahme, die sozial gerecht und wirtschaftspolitisch sinnvoll ist. Selbst ohne Steuererhöhungen und ohne Reform der Schuldenbremse können messbare Verbesserungen für Familien mit kleinen Einkommen erzielt werden, gleichzeitig sind durch diese solidarische Umverteilung positive wirtschaftliche Effekte durch eine bessere Teilhabe in Bildung und Gesellschaft für viele Kinder und Jugendliche zu erwarten.”

Weitere Nachrichten

Meldung vom 17.09.2024
Nur alle zehn Jahre findet die Internationale Gartenausstellung (IGA) statt. 2027 kommt das Mega-Event erstmals ins Ruhrgebiet und wird die gesamte Region prägen. Ziel ist es, in der ehemaligen Industriemetropole eine grüne urbane Landschaft entstehen zu lassen, deren Gestaltung zukunftsweisend ist.weiterlesen
Meldung vom 06.09.2024
Gesundheitsförderung für pflegende Angehörige ist ein Kernthema der AW Kur und Erholungs GmbH. weiterlesen
Meldung vom 01.09.2024
Eigentlich ist ja Wolfgang Kubicki für geistige Offroad-Fahrten in der FDP zuständig - aber seine Parteikolleg*innen holen auf. Die Partei lässt schon mal den Motor für den Wahlkampf 2025 warmlaufen und haut Ideen raus, für die sich sogar Porsche-Fahrer fremdschämen. weiterlesen
Meldung vom 22.08.2024
Der Dortmunder Karrieretag geht in die dritte Runde – und der AWO Bezirk Westliches Westfalen mit den Unterbezirken Dortmund, Ennepe-Ruhr und Ruhr-Lippe-Ems ist dabei. weiterlesen
Meldung vom 13.08.2024
Die zwölf Delegierten der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) der Frauenbeauftragen NRW der WfbM (Werkstätten für behinderte Menschen) trafen sich Ende Juli im LWL-Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte in Münster. weiterlesen
Meldung vom 07.08.2024
Am kommenden Sonntag, 11. August, werden an der Mergelteichstraße möglicherweise zwei Blindgänger entschärft. Fast 3500 Menschen müssten evakuiert werden. weiterlesen
Meldung vom 01.08.2024
Was passiert, wenn der EM-Videobeweis ins private Wohnzimmer und die die Kapitänsregel in der Politik Fuß fassen? Der Steiger hat da so eine Ahnung. weiterlesen
Meldung vom 12.07.2024
Die AWO bietet ab November 2024 Kurmaßnahmen für pflegende Eltern an. weiterlesen
Meldung vom 11.07.2024
Kriege, Klimawandel, die Auswirkungen der Pandemie, Hass und Hetze im Netz sowie zunehmende rassistische, radikale und nationale Tendenzen verunsichern und machen Angst. weiterlesen
Meldung vom 08.07.2024
Das Lotte-Lemke-Bildungswerk der AWO bietet ab 9. September 2024 eine Weiterbildung zur verantwortlichen Pflegefachkraft (PDL) an. weiterlesen