Tagung über das Wohnen für Menschen mit Demenz

12.10.2007

Zu viele Vorbehalte gegen Pflege-Wohngemeinschaften – AWO Bezirk setzt auf andere Betreuungs- und Serviceformen

Eine Million Menschen in Deutschland leiden an Demenz, ihre Zahl wird weiter wachsen: eine große Aufgabe nicht nur für die Träger von Altenhilfe, sondern auch für Wohnungsgesellschaften, deren Mieter immer älter werden.
Aus diesem Grund haben die Arbeiterwohlfahrt im Westlichen Westfalen und der Verband der Wohnungswirtschaft (VdW Rheinland Westfalen) am 11. Oktober 2007 gemeinsam zu einer Tagung über das „Wohnen mit Demenz“ ins Gelsenkirchener AWO Begegnungszentrum eingeladen. Das Ergebnis: Die Notwendigkeit neuer Wohnformen für Menschen mit Demenz ist unbestritten. Über die Realisierung gehen die Vorstellungen jedoch auseinander.
Lebensqualität bedeutet für Menschen mit Demenz vor allem Sicherheit und Privatheit, führte Dr. Eckhard Schnabel vom Institut für Gerontologie an der Universität Dortmund in seinem Vortrag aus.
Eine moderne Wohnform ist die Wohngemeinschaft für bis zu acht demenzkranke Menschen, die in einem der Häuser der Wohnungsbaugesellschaft mbH Wuppertal entstanden ist. Man selbst habe die Baukompetenz, sagte Wilfried Moll, Prokurist der Wohnungsbaugesellschaft. Für die Pflege und Betreuung hat man einen sozialen Partner gesucht. Die Caritas stellt vor Ort sicher, dass fachlich qualifizierte Mitarbeiter 24 Stunden in der WG präsent sind. Die Wohngemeinschaft stößt auf das positive Interesse vieler älterer Menschen, stellte Johannes Maurer von der Caritas fest.
Funktionieren kann das jedoch nur, wenn die Heimaufsicht der Meinung ist, dass es sich bei der WG nicht um ein Heim handelt. Das ist nicht der Fall, wenn die Freiwilligkeit der Mieter bei ihrem Einzug und ihre Selbstverantwortlichkeit gewährleistet sind, betont Dr. Markus Plantholz, Rechtsanwalt aus Hamburg. Das bedeutet die strikte Trennung von Vermietung und Pflegeleistung. Die Mieter können sich jederzeit für einen Pflegedienst ihrer Wahl entscheiden.
Angesichts dieser erschwerten Rahmenbedingungen setzt der AWO Bezirk Westliches Westfalen verstärkt auf die Zusammenarbeit mit Wohnungsgesellschaften, hält aber in naher Zukunft die Wohngemeinschaft für keine Perspektive. Das betonten der Bezirksgeschäftsführer Wolfgang Altenbernd und Gertrud Löhken-Mehring, Abteilungsleiterin Soziales im AWO Bezirk. Sie halten das Modell Wohngemeinschaft weder wirtschaftlich noch rechtlich für ausgereift.
Die Arbeiterwohlfahrt setzt deshalb auf ambulante Tagespflege, auf die Kooperation von AWO-Begegnungszentren mit Wohnungsbaugesellschaften und auf den AWO SeniorenService, der die Angebote des Verbandes schnell und umkompliziert für Senioren zu Verfügung stellt.
Diese Ablehnung der Pflege-Wohngemeinschaft wird nicht von allen Fachleuten geteilt. Nina Schoppmann vom VdW Rheinland Westfalen hält diese Wohnform für eine wichtige Alternative im umfassenden Konzept der Demenzversorgung. Sie geht von einer Zunahme von Wohngemeinschaften aus.
Holger Stolarz vom Kuratorium Deutsche Altershilfe ist ein Befürworter der WG für Menschen mit Demenz, weil sie sich nach seiner Einschätzung besonders gut zur Integration in das Wohnquartier eignet. Um die vielen juristischen und wirtschaftlichen Unsicherheiten zu beseitigen, die Reinhard Luderer, Sozialamtsleiter aus Duisburg, beklagte, muss jedoch eine Klärung der rechtlichen Rahmenbedingungen stattfinden. Ob dies tatsächlich bei der Novellierung des Landesheimgesetzes geschehen kann, bezweifelt sogar Norbert Killewald (MdL), der dem Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landtages NRW angehört.

Dokumente zur Veranstaltung

Grußwort Bodo Champignon, AWO Bezirk Westliches Westfalen
Grußwort Nina Schoppmann, VdW Rheinland Westfalen
Vortrag Wilfried Moll, GWG Wuppertal
Vortrag Johannes Maurer, Caritas
Vortrag Gertrud Löhken-Mehring, AWO Bezirk Westliches Westfalen
Vortrag (Kurzfassung) Dr. Markus Plantholz, Rechtsanwalt
Vortrag (Langfassung) Dr. Markus Plantholz, Rechtsanwalt

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