Was ist schon anders, was ist schon normal?

18.08.2009

Darüber lässt sich vortrefflich philosophieren und streiten! Anders als normal ist jedenfalls die Arbeit, die die junge Erzieherin und Fotografin Dania Frönd in Telgte geleistet hat. Die 29-Jährige hat Poträtfotos von Menschen geschossen, die geistig behindert sind. Die in schwarz-weiß Dargestellten sind alle in eine andere Rolle geschlüpft. Wir sehen Elvis Presley, die Monroe oder James Dean auf einer Harley. „Anders als normal" lautet deshalb folgerichtig auch der Titel des Fotokalenders.

„Wir wollten die Normalität in einem anderen Licht zeigen", erzählt Dania Frönd. „Der Titel ist durchaus provokativ gemeint", ergänzt Marija Olbrich. Die 57-Jährige leitet die Wohnstätte für Menschen mit geistiger Behinderung in Telgte. Träger der Einrichtung ist die Westfalenfleiß GmbH. Dania Frönd ist Erzieherin in dem Haus und Mitarbeiterin im Gruppendienst. Hier betreut sie vier Behinderte. Der Rocker auf der Harley Davidson ist ihr Onkel Detlev. „Von ihm habe ich die Leidenschaft für das Fotografieren geerbt", sagt die 29-Jährige. Die Idee zu dem Kalender liefert mit Mathias Bothor allerdings ein berühmter Lichtbildner. „Ohrenkuss" heißt das Bothor-Projekt. Der Poträtfotograf hat ebenfalls Menschen mit Behinderung ganz neu gezeichnet. Unterstützung fanden beide Projekte durch die „Aktion Lebenshilfe".

Die Aufnahmen von Mathias Bothor haben die 29-Jährige fasziniert und gleichzeitig motiviert. 2007 entstand die Idee zu einem eigenen Kalender, im September 2008 war er druckfähig. In der dazwischen liegenden Zeit hat Dania Frönd ein Casting mit über 50 Menschen aus dem Wohnverbund von „Westfalenfleiß" durchgeführt und zwölf ideale Typen gefunden. Danach ging es drei Monate zum Foto-Shooting in ihre Privatwohnung. „Hier ist das Licht am besten", sagt die Fotografin. Nur zwei Aufnahmen entstanden im Freien. Die 29-Jährige verzichtet wenn möglich auf künstliches Licht. Das Ergebnis ihrer Arbeit ist beeindruckend: Die Menschen, die sie mit ihrer Kamera eingefangen hat, genießen sichtbar den Rollenwechsel. Auf jedem Bild ist Lebensfreude zu spüren, die im Alltag nur selten so deutlich aufblitzt. Sie hat es geschafft, die Menschen in ihrer Natürlichkeit darzustellen - charmant, verschmitzt, souverän, normal.

„Viele Fotografen bilden die Schönheit ab. Dania aber schafft es, die Menschen mit Behinderungen rüber zu bringen. Das ist ihre Stärke", unterstreicht Wohnbereichsleiterin Marija Olbrich. Dania Frönd hat sich mit den Aufnahmen viel Zeit gelassen. Sie organisierte die für jeden Typ passende Bekleidung, engagierte die Visagistin Nadine Röwekamp und beschäftigte sich vor und hinter der Kamera im Schnitt drei Stunden mit dem zu Porträtierenden. Die 29-Jährige hat - ihre Porträts sind der Beweis - eine starke emotionale Bindung zu den Menschen aufgebaut. „Für Dania Frönd ist jeder Mensch schön und besonders", sagen alle. „Jeder Mensch besitzt Kompetenzen", sagt Dania Frönd bescheiden. Und besitzt eine gehörige Portion Selbstvertrauen und Stolz. „Jetzt erst sehe ich die Lebenserfahrung in den Gesichtern. So habe ich das vorher nie wahrgenommen", stellte eine Westfalenfleiß-Mitarbeiterin nach Durchblättern des Kalenders fest.

2010 wird es keinen Kalender geben. Für 2011 ist ein Paar-Kalender geplant. Wer das Projekt unterstützen möchte, wende sich an Dania Frönd (www.dee-licious.de) oder an die Westfalenfleiß GmbH (Telefon 0251-61800-0, www.westfalenfleiss.de).

Dania Froend    Marija Olbrich 

Dania Frönd (29) und ihr Onkel Detlev Frönd. Der 44-Järhige schlüpfte für den Fotokalender „Anders als normal" in die Rolle eines Rockers.

 

Marija Olbrich (57) ist Leiterin der Westfalenfleiß-Wohnstätte für Menschen mit Behinderungen in Telgte.

Text und Fotos von Carl Funkel

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