Die AWO schlägt Alarm: Viele Kinder und Jugendliche werden abgehängt!

12.04.2021

Dauer-Lockdown und Distanzunterricht haben gravierende soziale Folgen

Heute ist der erste Schultag in NRW. Doch für die meisten bleiben die Schulen mal wieder geschlossen. Viele Kinder und Jugendliche lernen seit Mitte Dezember – bis auf die wenigen Tage vor Ostern – im Distanzunterricht. Die AWO warnt vor den Folgen: Eine große Gruppe einer ganzen Generation werde gerade abgehängt.

Während in privilegierten Sozialstrukturen – meistens – die Mütter als Lehrerinnen einspringen, ist bei vielen Heranwachsenden niemand da, der erklärt, motiviert und kontrolliert. Und vor allem: Es ist oftmals niemand da, der eine Tages-Struktur aufrechterhält. „Wer dieses Schuljahr ohne die Unterstützung aus dem Elternhaus schaffen muss, ist verloren“, sagt Anna Rizou, die in Marl die Fachstelle Jugendsozialarbeit leitet. Das Prinzip des Distanzunterrichts richte bei vielen ungeheure Schäden an. Das betreffe nicht nur die immensen Lerndefizite, sondern auch die Entwicklungsverzögerungen in allen Altersgruppen, die durch die Dauer-Isolation entstehen.

Was viele Fachleute zunehmend alarmiert, sind die psychosozialen Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche, die bereits jetzt deutlich werden: Depressionen, Ängste, das Gefühl von massiver Überforderung, Apathie und Rückschritte in sozialen Fertigkeiten. Die letzte COPSY-Studie, die die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Psyche von Kindern und Jugendlichen untersucht, bestätigt dies: Fast jedes dritte Kind leidet ein knappes Jahr nach Beginn der Pandemie unter psychischen Auffälligkeiten. Sorgen und Ängste haben noch einmal zugenommen, auch Symptome einer Depression und psychosomatische Beschwerden sind verstärkt zu beobachten. Erneut sind vor allem Kinder und Jugendliche aus sozial schwächeren Verhältnissen oder mit Migrationshintergrund betroffen.

„Wo die Schule bisher noch als Frühwarnsystem funktioniert hat, das die Kinder im Blick hat, sind mittlerweile viele durchs Raster gefallen“, sagt Anna Rizou, die mit Sorge auf die Entwicklung blickt. Viele Kinder und Jugendliche seien mit der Bewältigung der Pandemie-Folgen auf sich allein gestellt. Sei es, weil die Eltern ihnen bei den Aufgaben nicht helfen können, weil der Kontakt zu Lehrkräften und Altersgenossen komplett abgebrochen ist oder weil ihnen die technischen Fertigkeiten fehlen. „Im schlimmsten Fall kommt der Bruch erst dann, wenn alle wieder gemeinsam in den Klassen lernen und die Defizite sowohl im schulischen als auch im sozialen Bereich deutlich werden.“

Die Pandemie stelle auch für Kinder und Jugendliche eine absolute Ausnahmesituation dar, was bisher viel zu wenig beachtet worden sei, so Muna Hischma, Abteilungsleiterin Soziales, im AWO Bezirk Westliches Westfalen. „Wir sprechen hierbei nicht von so mancher Party, die einigen jungen Menschen entgeht. Wir sprechen von einem großen Kraftakt und Herausforderungen, die eine ganze Generation junger Menschen zu bewältigen hat. Das alles wird bislang scheinbar als Selbstverständlichkeit aufgefasst“, ergänzt Hischma.

„Es verschärften sich nicht nur die Ungleichheiten im Bildungserfolg, auch soziale Benachteiligungen gelte es jetzt mit einem besonderen Augenmerk und aller Kraft entgegen zu wirken“, so Hischma. Der Jugendsozialarbeit und Offenen Kinder- und Jugendarbeit komme hierbei eine ganz zentrale Rolle zu.

„Wichtig ist, dass wir alle Einrichtungen schnellstmöglich auch so ausstatten können, dass sie pädagogische Angebote auf Distanz einwandfrei und ohne Hürden durchführen können. Die Fachkräfte in der Jugendsozialarbeit sind sehr kreativ und engagiert, Präsenzangebote digital umzustellen. Sie sind jedoch längst nicht alle technisch auch so ausgestattet, dass sie auf einer guten Basis aufbauen können“, so Muna Hischma.

Sie fordert von den Entscheidungsträgern, die Warnsignale ernst zu nehmen und jetzt schon auf die Auswirkungen der Pandemie auf Kinder und Jugendliche zu reagieren: „Hierbei sehen wir auch die Schulsozialarbeit in zentraler Rolle, um die massiven Folgen aufzufangen. Diesen Bereich zu stärken und konzeptionell weiterzuentwickeln sollte nun selbstverständlich sein.“

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