Eine Lanze für die Pflege hat NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) am Dienstagmorgen bei einem Besuch des Jeanette-Wolff-Seniorenzentrum Bocholt gebrochen: Neben der gesellschaftlichen Anerkennung für ihre Arbeit forderte die SPD-Politikerin bessere Arbeitsbedingungen und eine höhere Bezahlung der Pflege-Beschäftigten.
Das Seniorenzentrum zählt mit seinen 100 Plätzen zu den 61 Einrichtungen vergleichbaren Typs, die die Arbeiterwohlfahrt (AWO) im Bezirk Westliches Westfalen betreibt. Hier wie andernorts sichert der Wohlfahrtsverband hohe Qualitätsstandards in der stationären Pflege. Das ist eine Balanceakt: Denn die Anforderungen an eine hervorragende Betreuung wachsen immer stärker, während die Gewinnung von Fachpersonal immer schwieriger wird und es am nötigen Geld in den Pflegekassen fehlt.
Hannelore Kraft nahm sich Zeit für eingehende Gespräche mit den Bewohnern der Bocholter Einrichtung, mit den hauptamtlichen Pflegekräften und freiwilligen Helfern. Zwei Stunden lang tauschte sie, die selbst schon Tagespraktika in vergleichbaren AWO-Einrichtungen absolvierte, Gedanken mit allen drei Gruppen aus - und redet klare Kante: „Hoch wertvoll für unsere Gesellschaft" sei das Engagement für die Pflegebedürftigen - nur zu schlecht bezahlt. Und überhaupt werde in der politischen Diskussion „zu viel über Finanzen gesprochen, während das Menschliche häufig zu kurz kommt".
Die Ministerpräsidentin und der AWO Bezirksvorsitzende Michael Scheffler, MdL sprachen sich vor diesem Hintergrund gemeinsam dafür aus, die Pflegeeinrichtungen finanziell besser auszustatten und dabei vor allem die anspruchsvolle Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angemessen zu entlohnen: „Wir werden dazu mehr Pflegebeiträge benötigen." Gleichzeitig sei es notwendig, neben der ambulanten und stationären Pflege auch neue Wohnformen fürs Alter zu entwickeln - etwa durch den Aufbau von Wohngruppen. Beiträge dazu wollen Landesregierung und SPD mit der unmittelbar bevorstehenden Novellierung des Wohn- und Teilhabegesetzes leisten. Dass eine Anpassung der Angebote an die gesellschaftlichen Verhältnisse dringend nötig ist, machte Hannelore Kraft am eigenen Beispiel im Gespräch mit einer Bewohnerin deutlich: „Sie haben noch vier Kinder, die sich um Sie kümmern. Ich habe nur einen Sohn - und der studiert gerade in Kanada." Da müsse sich die 52-jährige Politikerin schon heute überlegen, wie es später um die Pflegesituation der Gleichaltrigen stehe.