Auf sinkende Auftragslagen folgen Gehaltskürzungen / Beschäftigte geraten zunehmend in finanzielle Not
Die AWO NRW fordert ein auskömmliches und zukunftsfähiges Entgeltsystem für Menschen mit Behinderungen, die in Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) arbeiten. „Die Bezahlung darf nicht mehr von der Auftragslage abhängen. Wir benötigen umgehend ein krisensicheres Entgeltsystem, damit die Werkstätten bestehen bleiben und den Menschen weiterhin Teilhabe ermöglichen“, so Uwe Hildebrandt, Geschäftsführer der AWO NRW.
Die Corona-Pandemie verschärft die Fragilität des Entgeltsystems und damit die dringende, zeitnahe Notwendigkeit der grundlegenden Überarbeitung. Ängste der Beschäftigten, Betretungsverbote durch das Ministerium, Schließungen aufgrund von erhöhtem Infektionsgeschehen und sinkende Auftragslagen führen dazu, dass das Entgelt der Beschäftigten bereits im Jahr 2020 gekürzt werden musste. Die Ertragsschwankungsrücklagen der Werkstätten reichen mittlerweile nicht mehr aus, um die Einnahmeausfälle zu kompensieren.
Das aktuelle System in Werkstätten sieht vor, dass die Entgelte der Beschäftigten aus dem Arbeitsergebnis bzw. Ertragsschwankungsrücklagen finanziert werden. Das heißt im Umkehrschluss, dass Schwankungen der Auftragslage immer direkten Einfluss auf das Entgelt der Beschäftigten nehmen. NRW ermöglicht als einziges Bundesland auch Menschen mit Schwerst-Mehrfachbehinderungen ein sinnvolles Teilhabeangebot innerhalb der Werkstätten. Sie erhalten ebenfalls ein Entgelt, unabhängig von der individuellen Leistungsfähigkeit.
Viele Beschäftigte müssen neben dem Entgelt Grundsicherungsanträge stellen, da das Geld nicht ausreicht, um den Lebensunterhalt sicherzustellen. Seit Jahrzehnten fordern die Beschäftigten der Werkstätten ein Einkommen, das es ihnen ermöglicht, ein finanziell unabhängiges Leben zu führen.
Der Deutsche Bundestag hat die Bundesregierung aufgefordert, bis Mitte 2023 eine „Studie zu einem transparenten, nachhaltigen und zukunftsfähigen Entgeltsystem für Menschen mit Behinderungen in Werkstätten für behinderte Menschen und deren Perspektiven auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt“ zu erheben.
„Wir sehen dringenden Handlungsbedarf und fordern die Politiker der Gemeinden, des Landes und des Bundes dazu auf, sich dafür einzusetzen, die Forderungen nach einem neuen, zukunftsfähigen Entgeltsystem der Werkstätten voranzubringen und schnellstmöglich umzusetzen, damit Menschen mit Behinderungen zukünftig ein sicheres Einkommen erhalten und ihnen weiterhin ein Teilhabeangebot am Arbeitsleben ermöglicht werden kann“, so Uwe Hildebrandt.
Mit dem Verzicht des Bundes auf einen Anteil der Ausgleichsabgabe stehen den Inklusionsämtern 4,5 Mio. Euro zur Verfügung, um Entgelteinbußen der Beschäftigten bei Bedarf auszugleichen. Auch bei fristgerechter Beantragung ist bis heute keine Unterstützung an die WfbM erfolgt.
Darüber hinaus greifen Unterstützungen (SodEG und Kurzarbeit) des Bundes aufgrund des besonderen arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnisses nicht. Auch die Überbrückungshilfen und der Corona-Teilhabe-Fonds des Bundes sind nicht passgenau für das Werkstattangebot und bieten damit ebenfalls keinerlei Unterstützung.